Online-Demonstranten können sich nicht aufs Demonstrationsrecht berufen

Laut einer Antwort der Bundesregierung fehlt den virtuellen Versammlungen die dafür "notwendige Körperlichkeit"

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106 Hausdurchsuchungen waren die Folge eines Online-Protests gegen die GEMA, bei dem Aktivisten am 17. Dezember vergangenen Jahres versuchten, den Internetauftritt der GEMA mit Hilfe möglichst vieler Anfragen, gesendet über ein eigens programmiertes Skript, lahm zu legen. Für die Linkspartei ist dieses Vorgehen der Behörden gegen eine "Protestaktion, die Kriterien einer Onlinedemonstration erfüllt", übertrieben. Das Ziel der Repressalien sei es, derartige Proteste zukünftig zu unterbinden. Mit ihrem Anliegen, von der Bundesregierung eine hochoffizielle Bestätigung zu erhalten, dass die Aktion gegen die GEMA eine nach dem Versammlungsrecht schutzwürdige virtuelle Versammlung gewesen sei, ist die Linkspartei jedoch gescheitert.

In ihrer Antwort auf die Anfrage der Linkspartei schreibt die Bundesregierung zwar, dass in jedem Einzelfall durch die Strafverfolgungsbehörden geprüft werden müsse, ob es sich bei einer DDoS-Attacke um eine Straftat handele oder nicht, zumal es bei den Bundesbehörden auch keine allgemeinen Vorschriften darüber gebe, wie eine solche Einschätzung erfolgen soll.

Eine Einschätzung zu dem konkreten Fall möchte die Bundesregierung nicht abgeben, da dies Aufgabe der Strafverfolger und der Gerichte sei. Jedoch betont sie, dass strafbare Computersabotage immer dann in Frage kommt, wenn der Täter mit dem Bewusstsein vorgehe, dass andere in ihren rechtmäßigen Interessen eingeschränkt oder andere nachteilige Folgen in Kauf nehmen müssen. Massen-E-Mail-Proteste beispielsweise seien laut einem Bericht des Rechtsausschusses jedoch keine Computersabotage, sondern von der freien Meinungsäußerung gedeckt. Daher gebe es für Gerichte auch schon heute ausreichend Spielraum für die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte, bei politischen Protestaktionen auch das Recht auf freie Meinungsäußerung zu berücksichtigen.

Ausschließen kann die Bundesregierung jedoch, dass die Protestaktion gegen die GEMA durch das Versammlungsrecht gedeckt war, denn eine Versammlung nach Artikel 8 des Grundgesetzes erfordere "die gleichzeitige körperliche Anwesenheit mehrerer Personen an einem Ort". Woran dies festzumachen sei, teilt die Regierung jedoch nicht mit - denn von körperlicher Anwesenheit ist im Artikel über die Versammlungsfreiheit nichts zu lesen, so dass möglicherweise erst vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden muss, wie Grundrechte im virtuellen Raum wahrgenommen werden können.