Religiöse Ärzte verweigern Todkranken eher starke Schmerzmittel

Wenn es ans Sterben geht, neigen religiöse Ärzte eher zur Härte und sind auch eher gegen Sterbehilfe

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Man sollte ja meinen, dass religiöse Ärzte ihren sterbenden Patienten mehr Mitleid entgegenbringen. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Je religiöser ein Arzt ist, desto weniger entscheidet er sich dafür, das Leiden der Sterbenden zu verkürzen. Offenbar delegieren die gläubigen Ärzte und, wenig verwunderlich, die Palliativmediziner die Entscheidung an ihren Gott und lassen dadurch die Menschen auch länger und vielleicht unnötig leiden.

Das ist zumindest das Ergebnis einer im Journal of Medical Ethics veröffentlichten Studie über britische Ärzte, die auch untersuchte, ob sich christliche, muslimische oder hinduistische Ärzte voneinander unterscheiden. Die Herkunft der Ärzte hatte allerdings wenig Einfluss auf ihre Haltung, Muslime und Hinduisten waren stärker in der Altenpflege engagiert, Weiße eher in der Palliativmedizin, gleichzeitig waren sie aber weniger religiös. Ärzte, die sich selbst als nichtreligiös beschreiben, geben ihren todkranken Patienten häufiger starke Schmerzmittel bis zum Tod, und sie neigen auch eher dazu, Entscheidungen zu treffen, die zu einem früheren Tod der Todkranken führen, wenn es geht, besprechen sie dies auch mit den Patienten.

Die Studie basiert auf einer Umfrage. Von den 8.500 angeschriebenen britischen Ärzten antworteten fast 4.000. Gefragt wurden sie, wie sie ihren letzten Patientenbehandelt haben, der gestorben ist, ob sie ihm starke Schmerzmittel gegeben und ob sie mit ihm darüber gesprochen haben, die Zeit bis zum Tod zu verkürzen. Befragt wurden sie auch über ihre Religionszugehörigkeit, ihre Herkunft und ihre Ansichten über das Sterben und die Euthanasie. Ärzte, die sich als extrem oder sehr unreligiös beschreiben, haben sich doppelt so oft entschieden, lebensverkürzende Maßnahmen einzuleiten als religiöse Ärzte. Und die Ärzte, die sich am stärksten einer Religion zugehörig fühlen, haben auch am wenigstens mit ihren Patienten über medizinische Entscheidungen gesprochen, die den Vorgang des Sterbens betreffen. Wenig verwunderlich sind die gläubigen und die Palliativmediziner eher gegen Sterbehilfe und Euthanasie.

Patienten, die sterbenskrank sind, und ihre Angehörigen könnte die Studie dazu anregen, wenn sie ihr Sterben nicht einfach ganz dem Schicksal und den damit verbundenen Schmerzen überlassen wollen, dass sie sich eher Ärzten überlassen, die nicht religiös sind.