Immer mehr Autounfälle - wir brauchen die Vorratsdatenspeicherung

Außer Kontrolle

Jetzt, da Osama Bin Laden für getötet erklärt wurde, benötigen wir dringend die Vorratsdatenspeicherung. Noch dazu, wo selbst Österreich sie umgesetzt hat. Moment mal...

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Ärgerlich - niemand wollte mit mir wetten, welche Forderung als Erste erhoben werden würde nachdem nun der bärtige Terrorfürst für tot erklärt wurde. Onlinedurchsuchung? DNS-Datenbank für Gefährder? Vorratsdatenspeicherung?

Wer auf Vorratsdatenspeicherung tippte, der hat gewonnen. Kaum war das bärtige Terrorlumpenpüppchen aus dem Bedrohungskleiderschrank gezerrt und in einer geradezu rührend empathischen Geste nach muslimischer Tradition im Meer verklappt worden, da wackelte auch schon die Innenministerkarawane auf ihren Blablaargumentkamelen heran. Die derzeitige Situation muss man sich in etwa so vorstellen wie eine Katze, die vor zwei Fressnäpfen steht: sie kann nur gewinnen. Als der gefährliche Terrorzausel noch lebte, war natürlich höchste Wachsamkeit geboten, jetzt da er tot ist, ist höchste Wachsamkeit geboten und noch in den nächsten Jahren wird, sobald die ersten Acetonfreunde wieder ihre Pseudobomben Marke Eigenbau anrühren und dabei "Jihad" rufen, weiterhin höchste Wachsamkeit wegen Al Qaida und Co. angesagt sein. Einen Grund dafür, irgendwelche nach dem 11.09.2001 etablierte Repress... Sicherheitsgesetze abzuschaffen, gibt es also nie. Dazu kommt, dass in weiser Voraussicht, falls das Bedrohungsfutter ausgesehen sollte, das Sonderangebot "wie backe ich mir Terrorismus" genutzt wurde. Ein bischen Folter hier, ein wenig Bombardement dort, ein paar Zivilisten im "Krieg gegen den Terror" dazu und wer dann aus Guantanamo Bay und ähnlichen Lagern irgendwann freigelassen wird, der wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht gerade zu den Freunden der ruhmreichen Nation gehören, die Obama gestern erst lobte.

Aber Österreich hat doch auch die VDS beschlossen

Aber zurück zu den Forderungen im Inland - Bayerns Innenminister Herrmann forderte sogleich die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung, auch wenn der graubebaartete Terrorplaner in Pakistan nicht einmal Telefon oder Internetzugang besaß. Macht ja nichts, fordern kann man immer, zumal man als Innenminister im asynchronen Kampf um die Deutungshoheit stets im Vorteil ist. Nicht nur verfügt man über einen Pressestab, man hat auch noch die Gewissheit, dass die Presse, stets besorgt, gegenüber anderen Presseorganen möglicherweise im Rückstand zu sein, die Forderungen des Ministeriums als Erstes unkommentiert veröffentlicht und damit schön in die Köpfe der Bevölkerung schaufelt. Sicher geben sich die größeren Zeitungen wie FAZ, Sueddeutsche oder Die Welt und Die Zeit noch Mühe zu kommentieren, ebenso wie z.B. die TAZ, doch die regionalen und lokalen Zeitungen mit ihrem kleinen Stab, veröffentlichen solche Meldungen schnell und ohne weiteren Kommentar oder... was noch schlimmer ist, die diversen Klüngeleien in Ort oder Gemeinde führen dazu, dass sie nur das berichten, was für eine Partei gut ist. Die Beteiligungen der Parteien an diversen Presseorganen sind da nur eines der vielen Rädchen im Getriebe der Deutungshoheit.

Insofern verwundert es wenig, dass auch Herr Herrmanns Forderung sich schnell in der Presse wiederfand. Mit dem hübschen Zusatz, dass es absurd sei, dass Deutschland die VDS nicht umsetze, in Nachbarländern wie Österreich sei sie schon beschlossene Sache. So schafft man es, einen Fakt genau gegensätzlich darzustellen und in das eigene Realitätspuzzle einzufügen.

Ja, aber...

Wahr ist, dass Österreich nunmehr die VDS-Richtlinie der EU umgesetzt. Das ist dann aber auch schon alles, denn Österreich ist hier keineswegs Vorläufer, sondern hat sich lange gegen diese Umsetzung gesperrt und hat deshalb bereits eine Rüge der EU erhalten, Strafzahlungen wurden angedroht und erst jüngst, in einer sehr schnellen Aktion der neu eingesetzten Bundesjustizministerin, wurde dann die VDS beschlossen. Dazu kommt, dass Bürgerrechtler bereits eine Verfassungsklage gegen die VDS angekündigt haben (leider kein Link bisher!) und letztendlich damit ein ähnlicher Prozess wie in Deutschland recht wahrscheinlich wird. Die Bürgerrechtler Österreichs werden sich am AK Vorrat orientieren und es ist anzunehmen, dass sich ähnliche Strukturen dort herausbilden, dass die Bürgerrechts- und Datenschutzprotagonisten sich an einem großen Tisch einfinden und gemeinsam gegen (nicht nur) die VDS vorgehen werden, so wie es auch in Deutschland der Fall war.

Denn auch das hat Herr Herrmann geflissentlich ausgelassen: Während Österreich noch vehement die Umsetzung der VDS-Richtlinie verweigerte, war es nur allzu logisch, dass Deutschland diese ganz schnell mit Krokodilstränchen umsetzte. Schließlich gehörte Deutschland zu den Rädelsführern in diesem Fall der Politikwäsche, wie man das Verlagern von Gesetzen gen EU nennt. Da nämlich der Bundestag die VDS abgelehnt hatte, war es die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypriess, die sogar persönlich sich an die EU-Abgeordneten wandte, auf dass die VDS von dort aus nicht mehr als freiwillige, sondern verpflichtende Maßnahme angeordnet werden würde. Logisch, dass auf deutscher Regierungsseite niemand gegen die VDS kämpfte.

Deutschland ist im Kampf gegen die VDS schon sehr viel weiter als Österreich, da bereits eine Verfassungsbeschwerde, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ebenso, hinter ihm liegen und die Regierung nun also die VDS so beschließen muss (wenn sie denn beschließt), dass diese den Vorgaben des BVerfG genügt. Eine Aufgabe, die sich nicht so einfach gestalten wird und noch dazu außer Acht lässt, dass die Richtlinie, die immer als die treibende Kraft dargestellt wird, von der EU-Kommission selbst als überarbeitenswert angesehen wird. Sprich: die Richtlinie, die nun umgesetzt werden soll, ist fehlerhaft und muss in Punkto Datensparsamkeit und Verhältnismäßigkeit neu bewertet und neu verabschiedet werden, da sie diesen Punkten nicht genügt. Ein stümperhaftes Werk, das die Privatsphäre nicht genügend achtet, Datensparsamkeit, Verhältnismäßigkeit und Datensicherheit nicht genügend beachtet, soll also in den europäischen Ländern zu ähnlichen Regelungen führen - immer frei nach dem Motto "na ja, die Länder sollen ja quasi die leere Richtlinie mit Leben füllen", auch wenn sich dann die Frage stellt, warum die Länder, wenn sie sowieso durch so vage Vorgaben wie bisher zur VDS reglementiert werden, nicht einfach selbst entscheiden, ob sie diese Maßnahme haben möchten oder nicht. Aber dagegen wehrt sich die EU vehement, schließlich soll die Richtlinie der Harmonisierung dienen usw. usf.

Warum muss es bei der Richtlinie bleiben?

Die Richtlinie ist ein Rohrkrepierer, schon immer gewesen, allerdings ein gefährlicher. Keiner will klein beigeben, wie ein trotziges Kind im Supermarkt hält man an dem Leckerlie fest, egal ob es sicht längst als ungesund erwiesen hat. Die Harmonisierung muss nun eben neu geregelt werden (immerhin ist die Richtlinie nicht etwa zur Strafverfolgung, sondern zur Stärkung des Wettbewerbes innerhalb des Marktes verabschiedet worden), egal wann, egal wie. Währenddessen wird sie von den Ländern aber immer wieder als Richtlinie zur Strafverfolgung deklariert und so schiebt man hier munter den Ball der Verantwortung, der Begründung usw. hin und her. Niemand ist es gewesen - die EU will die Richtlinie, die EU sagt, die Länder wollen sie. In vielen Ländern würde es schwer werden, die VDS ohne die stärkende Richtlinie im Rücken durchzusetzen, das wissen sowohl die Länder, die sie unbedingt wollen als auch die EU. In anderen Ländern wurde die Richtlinie bereits als mit der Verfassung unvereinbar beurteilt - nicht etwa von "Laienkritikern", sondern von den obersten Gerichten. Dennoch ist keinerlei Einsicht zu vermerken.

Dabei hätten angesichts der Äußerungen der EU zur bisherigen Richtlinie die Länder genug Möglichkeiten, eine Umsetzung dieser fehlerhaften Richtlinie konsequent zu verweigern. Aber auch das wird Herr Herrmann in seinen Forderungen nach der VDS-Umsetzung nicht bedenken oder gar äußern. Und es bleibt abzuwarten, wie viele der Medien, die seine Forderung, verbunden mit der erhöhten Terrorgefahr und dem Beispiel Österreichs verlautbart haben, sich die Mühe machen, dies aufzudröseln.

Die VDS wird von einigen Politikern unbedingt gewollt und sie werden auch noch bei mehr Autounfällen, verschwundenen Katzen oder was auch immer, die VDS sofort ins Spiel bringen, egal wie unlogisch es ist. Es liegt an den im Kampf um die Deutungshoheit finanziell wie auch im Bereich "Einfluss" unterlegenen Kritikern und den Medien, wenigstens zu beleuchten, dass die Argumente, die für die VDS gebracht werden, keine sind, sondern letztendlich nur Halbwahrheiten, Verdrehungen und ähnliche Rabulistikbeispiele darstellen.