Gehirnscans zur Identifizierung von Pädophilen?

Deutsche Wissenschaftler glauben, auf der Grundlage von fMRI eine Treffersicherheit von 95 Prozent bei der Erkennung pädophiler Gehirne entwickelt zu haben

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Gehirnscans sind gegenwärtig die Wundermaschinen in der Neurowissenschaft. Besonders die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI), mit der anhand des Sauerstoffgehalts im Blut gemessen werden kann, welche Hirnareale aktiv sind, steht hoch im Kurs, um Verbindungen mit kognitiven Aktionen herzustellen. Manche glauben, dass sich mit Gehirnscans ein besserer Lügendetektor entwickeln lassen könnte, manche sehen Möglichkeiten, selbst Gedanken im Gehirn mitlesen zu können, andere halten die mit den Scans gewonnenen Erkenntnisse für so objektiv, dass sie auch zur Be- oder Entlastung von Verdächtigen eingesetzt werden könnten.

Sexualmediziner des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein haben mit Wissenschaftlern der Kliniken für Neurologie und Neurochirurgie und des Instituts für Neuroradiologie des UKSH unter Leitung von Jorge Ponseti eine Methode entwickelt, um mit der Messung der Hirnaktivität pädophile Männer von nicht-pädophilen Männern unterscheiden zu können. In der in der Zeitschrift Archives of General Psychiatry erschienenen Studie schreiben sie, dass sie gegenüber der bislang verwendeten, aber ungenauen Phallometrie, mit der Penisreaktion auf das Zeigen von Bildern gemessen wird, mit der fMRI eine Treffersicherheit von 95 Prozent erzielt hätten. Die Wissenschaftler vermuten, dass die sexuelle Präferenz angeboren ist oder sehr früh geprägt wird, so dass Reaktionen auf entsprechende sexuelle Reize schon in kürzester Zeit vor jeder bewussten Wahrnehmung entstehen und nicht steuerbar, aber eben ablesbar im Gehirnscan der aktivierten Areale wären.

Für die Studie hatten die Wissenschaftler 24 pädophilen Männern, von denen 11 von vorpubertären Mädchen und 13 von vorpubertären Jungen sexuell angezogen wurden, sowie 32 nicht-pädophilen Männern, von denen 18 sexuell von erwachsenen Frauen und 14 von erwachsenen Männern angezogen wurden, im Schnelldurchgang fast 500 Bilder von nackten männlichen und weiblichen Kindern und Erwachsenen gezeigt. Währenddessen wurden jeweils Scans gemacht, die dann von einem Programm ausgewertet wurden, das nach Ganzgehirn-Mustern suchte und diese nach ihrer Ähnlichkeit mit Gruppenmustern klassifizierte. Drei pädophile Männern, die von Jungen erregt werden, wurden allerdings nicht richtig zugeordnet.

Die Wissenschaftler glauben, damit eine sehr genaue Methode zur Identifizierung von Pädophilen entwickelt zu haben. Sie würde sich in Zukunft auch zur "objektiven Diagnose" eignen. Falls dies tatsächlich der Fall sein sollte und sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Pädophile identifizieren ließen, dann könnte man auch auf den Gedanken kommen, mit den Scans schon einmal präventiv Pädophile herauszupicken, auch wenn nicht alle mit pädophiler Orientierung auch zu Sexualstraftätern werden, um sie einer Therapie (oder Überwachung?) zuzuführen. Auch für die Entscheidung über die Sicherheitsverwahrung von Straftätern könnten solche "objektiven" Scans eingesetzt werden. Schöne Aussichten also?