Bundespräsident Wulff: Letzte Chance für einen Rücktritt

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat ein Ermittlungsverfahren gegen Wulff eingeleitet und die Aufhebung seiner Immunität beim Bundestag beantragt

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Lange hat man in der Staatsanwaltschaft Hannover überlegt. Nun hat man aber angesichts der neuen Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Filmfondsmanager David Groenewald keinen anderen Weg mehr gesehen, aufgrund eines Anfangsverdachts wegen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung eine strafrechtliche Ermittlung einzuleiten. Dazu gehört als erster Schritt, dass die Staatsanwaltschaft an den Bundestag heute den Antrag gestellt hat, die Immunität aufzuheben.

Gegen den ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker, der als Vertrauter Wulffs gilt und von diesem ohne Nennung von Gründen im Dezember entlassen wurde, sind bereits Ermittlungen aufgenommen worden. Glaesekers Büro im Bundespräsidialamt wurde untersucht, er steht unter Korruptionsverdacht.

Betont wird von der Staatsanwaltschaft, dass man sich intensiv beraten und dass es keine Weisung einer übergeordneten Behörde gegeben habe. Am 16. Januar hatte die Staatsanwaltschaft noch mitgeteilt, man sehe wegen der "Vorwürfe zu Kreditgewährungen und Urlaubsreisen" keinen Grund für einen strafprozessualen Anfangsverdacht.

Bei dem neuen Verdacht geht es nicht mehr um Pippifax, wie oft die Verteidiger von Wulff dessen Verhalten zu rechtfertigen suchten. Ermittelt wird, ob sich Wulff als Ministerpräsident von Groenewald auf einen Urlaub nach Sylt hat einladen lassen, nachdem das Land Ende 2006 dem Filmfondsmanager eine Bürgschaft in Höhe von vier Millionen Euro gegeben hat. Dieser hat sie zwar nicht in Anspruch genommen und Wulff behauptet, die von Groenewald beglichene Rechnung für den Hotelaufenthalt noch vor Ort bar zurückbezahlt zu haben, was bei vielen doch erhebliche Zweifel hervorgerufen hat. Zumal Groenewald offenbar versucht hatte, die Hotelverwaltung zum Schweigen zu überreden. Wulff war mehrmals von seinem "Freund" Groenewald eingeladen worden.

In einem Aktenvermerk hatte Wulff 2009 das zuständign Fachreferat der Staatskanzlei aufgefordert, "bei allen Aktivitäten im Zusammenhang mit D. Groenewold bitte äußerste Zurückhaltung" zu wahren, "um jeglichen Anschein von Nähe zu vermeiden". Wulffs "Berater", der CDU-Politiker Peter Hintze hatte dies in Talkshows bei Jauch und "Hart, aber fair" noch zur Verteidigung angeführt. Wie die HAZ schreibt, ließ Hintze aber einen Zusatz aus. Denn Wulff hatte den Rat als "überzogen" bezeichnet, keine Bürgschaften mehr zu geben, es sollte nur eben jede Nähe zu ihm dabei vermieden werden.

In der Geschichte der Bundesrepublik wird nun erstmals strafrechtlich gegen einen Bundespräsidenten ermittelt und muss der Bundestag über den Antrag der Aufhebung der Immunität entscheiden. Nur ein Viertel der Abgeordneten müsste dem zustimmen. Die Staatsanwaltschaft betont, dass natürlich die Unschuldsvermutung weiter bestehe.

Das ist formell richtig, aber nun wird es für den Bundespräsidenten höchste Zeit, egal wie die Ermittlung ausgeht, das Kleben am Amt aufzugeben und endlich zurückzutreten, weil er nun nicht nur für die Regierung, sondern auch für den Bundestag zu einer Belastung wird. Und es wird vor allem auch Zeit für Bundeskanzlerin Merkel, die vom schwachen, in viele problematische Beziehungen und mögliche Vergünstigungen verwickelten Wulff profitiert hat, endlich die Reißleine zu ziehen, um die politische Kaste nicht noch weiter zum Gespött zu machen und der Peinlichkeit des kleinkrämerischen Politikverhaltens im Stil von Wulff ein Ende zu setzen.

Selbst Hans-Ulrich Jörges vom stern zieht nun einen Schlussstrich und schreibt: "Aus. Deutschland hat keinen Bundespräsidenten mehr." Und geht dann zur Sache: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie haben keinen Arsch in der Hose. Sie sind ein Präsident der feuchten Hände. Gefangen in Angst und Kleinmut. Sie sind zäh, aber nicht hart"