Stecker rein und Blackout

Elektro-Tankstellen belasten das Netz mehr als gedacht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die FH Bingen hat nachgemessen, was für Auswirkungen es für das Netz hat, wenn Elektroautos aufgeladen werden. Bei den Messungen mit elf Elektroautomodellen zeigte sich, dass das Stromtanken größere Rückwirkungen auf das Stromnetz hat, als bisher bedacht.

Es gibt zwar festgelegte Grenzwerte für das Laden von Elektrofahrzeugen am öffentlichen Netz, aber anscheinend halten sich nicht alle Modelle daran. So zeigten sich Störungen der Netzfrequenz bei der Umwandlung von Wechselstrom aus dem Netz in Gleichstrom für die Akkus. Der Wechselstrom wurde in seiner Sinusform verzerrt, was zu Rückkopplungen und Störungen anderer Verbraucher am Netz führen kann. Bei größeren Stromtankstellen könnte das die Versorgung ganzer Stadtteile betreffen.

Auch zeigte sich, dass das bisher propagierte "überall mögliche" Aufladen an 16-Ampere-Leitungen bei einigen Modellen eine unsichere Sache ist. So traten zu Beginn der Ladevorgänge Einschaltspitzen über 10 Ampere auf. Was dazu führen kann, dass die Sicherung reagiert und die Stromversorgung unterbricht. Mit der Folge, dass während des Ladevorgangs Herd oder Heizung ausfallen oder Brandgefahr durch Kabelüberhitzung besteht. Üblich ist bei Wohnungen heute ein dreiphasiger Anschluss mit 63 oder 100 Ampere Absicherung, so dass 43,5 bis 69 kW Leistung zur Verfügung stehen. Da die Ladezeit der Akkus an einer 16-Ampere-Leitung bei 230 Volt etwa 6 bis 8 Stunden dauert, könnte man also wie beim Elektroherd einen extra Starkstromanschluss für das Elektroauto legen, die Ladezeit verringert sich dann auf etwa 2.5 Stunden. Allerdings bedeutet das, dass das Haus jeweils eine eigene Leitung als Haustankstelle benötigt und das Überall-Tanken nicht mehr möglich ist. Außerdem führen die kurzen Ladezeiten mit hohen Ladeströmen bei heutigen Lithium-Ionen-Akkus dazu, dass nicht die volle Kapazität des Akkus erreicht wird, also öfter getankt werden muss.

Die Untersuchung der FH Bingen soll jetzt noch auf eine breitere Basis gestellt werden und auf mehr Modelle und das Ladeverhalten bei Unternehmen, die einen Fuhrpark mit E-Mobilen oder Ladesäulen betreiben, ausgeweitet werden. Wegen der offensichtlich noch bestehenden Probleme plädiert Studienleiter Peter Plumhoff dafür, das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln ( EMVG) auch für Ladesäulen und Elektromobile anzuwenden. Mit fallenden Akkupreisen wird es mehr Elektrofahrzeuge geben und gleichzeitig wird auch das Leitbild einer weitgehend strombasierenden Energieversorgung mit der Solaranlage auf dem Dach und der strombetriebenen Wärmepumpe als Heizung propagiert. Mehr Geräte erhöhen so auch die Anforderungen an deren Netzkompatibilität und ihr Zusammenspiel.