Chile schließt Atompakt mit den USA

Trotz laufender Proteste hält die Regierung von Präsident Piñera an Nuklearabkommen und möglichem Bau von Kernkraftwerken fest

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Während in Japan Techniker und Mitglieder von Notfallteams gegen eine Nuklearkatastrophe kämpfen, will die chilenische Regierung am heutigen Nachmittag (Ortszeit) ein Atomabkommen mit den USA unterzeichnen. Doch unter dem Eindruck des Reaktorunfalls im japanischen Fukushima brandet auch in dem südamerikanischen Land Protest auf. Mitglieder des Senats, Nichtregierungsorganisationen und internationale Umweltgruppen haben Widerstand angekündigt. Die Aktionen sollen sich bis Montag hinziehen. An diesem Tag wird US-Präsident Barack Obama in Santiago de Chile zu Gast sein.

Die Regierungssprecherin in dem südamerikanischen Land, Ena von Baer, versuchte die Kritiker des Nukleardeals indes zu beruhigen. Ziel des Abkommens sei es einzig, die wissenschaftliche Kooperation mit den USA zu verbessern. Ähnliche Vereinbarungen existierten schließlich auch mit den Atomstaaten Frankreich und Argentinien. Zudem sei unter der aktuellen Regierung ohnehin keine grundsätzliche Entscheidung über die Nutzung der Atomenergie mehr zu erwarten.

Die Gegner der Kernenergie überzeugte das nicht. Die Unterzeichnung des Atomdeals zwei Tage vor dem Obama-Besuch komme – strafrechtlich betrachtet – der Beihilfe zu einem Delikt gleich, monierten die christdemokratischen Senatsabgeordneten Patricio Walker und Ximena Rincón. Schließlich überlasse Piñera die strittige Entscheidung kommenden Staatsführungen.

Die Kontroverse in Chile weist dabei Parallelen zur Atomdiskussion in Deutschland auf. Ebenso wie die Bundeskanzlerin hat Piñera derzeit Probleme, seinen Schwenk in der Atompolitik glaubhaft zu machen. Walker und Rincón argumentieren mit einer Erklärung, die der konservative Staatschef im Jahr 2006 unter dem Titel "Nuklearenergie – Nein danke!" unterzeichnet hat. Zudem werfen die atomkritischen Senatoren die Frage auf, weshalb Piñera das Nuklearabkommen nicht von Energieminister Laurence Golborne unterschreiben lässt? Offenbar solle der Hoffnungsträger der chilenischen Konservativen von einem späteren politischen Schaden bewahrt werden. Kommende Woche wollen kritische Regierungsabgeordnete und Vertreter der Opposition Golborne in Parlament zur Rede stellen.

Für den heutigen Freitag, das Wochenende und Montag kündigten zahlreiche Organisationen Proteste an. Die Lehrergewerkschaft, Schüler und Studierende wollen – auch vor dem Hintergrund des Atomdeals – gegen den Obama-Besuch auf die Straße gehen. Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat Anti-Atom-Proteste angekündigt.

In Chile gibt es bislang keine Atomkraftwerke. Allerdings hat die Regierung Piñera ebenso wie die Venezuelas und Perus den Bau solcher Reaktoren angekündigt, um immer wiederkehrenden Energieengpässen Herr zu werden. Während sich Venezuela und Peru aber von den AKW-Plänen verabschiedet haben, hält Chiles Führung an dem Vorhaben fest.

Nach Angaben der industriefreundlichen World Nuclear Association bestehen in Lateinamerika derzeit sechs aktive Atomkraftwerke in Argentinien, Brasilien und Mexiko.