Widerstand gegen Legalisierung der Videoüberwachung in Berlin wächst

Kritiker fürchten, dass mit der Videoüberwachung von Demonstrationen die Versammlungsfreiheit in Gefahr gerät

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Da in Berlin fast täglich Demonstrationen stattfinden, kann es auf den ersten Blick erstaunen, dass sich ausgerechnet dort kürzlich ein "Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit" gegründet hat.

Neben Einzelpersonen arbeiten dort Vertreter der drei Oppositionsparteien Linke, Piraten und Grüne im Abgeordnetenhaus, die Dienstleistungsgewerkschaft verdi und zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen vor allem aus dem Datenschutzbereich mit. Den Initiatoren geht es um Datenschutz auch auf Demonstrationen.

Der Protest des Bündnisses richtet sich gegen eine Gesetzesvorlage der in Berlin regierenden Koalition aus SPD und CDU, die den Titel trägt: "Gesetz zu Übersichtaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Demonstrationen und Aufzügen. Hintergrund dieser Gesetzesvorlage, über die demnächst entschieden werden soll, ist ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes von 2010. Danach erfolgt die Verwendung von Videoaufnahmen der Polizei ohne Rechtsgrundlage und ist daher rechtswidrig. Mit der Gesetzesvorlage wollen nun die Regierungsparteien eine solche Rechtsgrundlage schaffen und die Praxis der Videoaufnahmen legalisieren. Der Verzicht auf diese Maßnahme sei "wegen der Bedeutung des Instrumentariums für eine erfolgreiche Einsatzbewältigung nicht hinnehmbar", heißt es zur Begründung.

Werden Demonstranten abgeschreckt?

Die Kritiker monieren hingegen, dass es dem Senat bei dem Gesetz weniger um Übersichtsaufnahmen als um die konkrete Bespitzelung von Versammlungsteilnehmern geht. Schließlich werde in der Gesetzesvorlage von einem Kamera-Wagen gesprochen, aus dem keine Übersichtsaufnahmen angefertigt können. Die Berliner Polizei habe solche Aufnahmen bereits in der Vergangenheit ohne gesetzliche Grundlage angefertigt.

Das Bündnis verweist auf den Abschreckungswirkung für potentielle Versammlungsteilnehmer durch die Videoüberwachung und beruft sich dabei auf das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts:

"Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten."

Daher sieht das Bündnis die Versammlungsfreiheit in Gefahr, sollten die Pläne der Berliner Regierungskoalition in Kraft treten. Die will eine schnelle Entscheidung herbeiführen, sodass bereits in wenigen Monaten in Berlin Versammlungen wieder mit einer Rechtsgrundlage von der Polizei gefilmt werden könnten. Ob die aber Bestand hat, dürfte wieder eine Frage der Justiz sein. Das Bündnis hat schon weitere Klagen angekündigt, sollte die Landesregierung nicht doch noch der erstarken Protestbewegung nachgeben und ihre Pläne auf Eis legen.