Was Solid nicht bekommt, bekommt die Junge Union nimmermehr

Außer Kontrolle

Die Bundesfamilienministerin, Kristina Schröder, ist der Meinung, Solid, die Nachwuchsorganisation der Linken, solle kein Geld aus dem Fördertopf des Ministeriums bekommen. Recht hat sie bekommen - nur anders als erwartet.

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Politische Bildung und der Parteinachwuchs

Das Bundesfamilienministerium, unter anderem auch zuständig für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, verwaltet einen für Parteien nicht unwichtigen Fördertopf. Dieser ist für die Förderung der politischen Bildung gedacht. 2006 wurden entsprechende Mittel im Kinder- und Jugendplan des Bundes im Haushaltsplan ausgewiesen. Für die Nachswuchsorganisationen der Parteien war dies eine durchaus lukrative Angelegenheit. Immerhin 40% ihres Etats können sie durch die Zuwendungen bestreiten, womit sie unter anderem auch Parteibroschüren finanzieren.

Seit 2006 wollte jedoch ein weiterer Parteinachwuchs ein Stück vom Kuchen abhaben - Solid, die Nachwuchsorganisation der Linken. Das Ministerium, damals noch unter der Ägide von Ursula von der Leyen, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, Solid sei als Nachwuchsorganisation einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei nicht zuwendungsberechtigt und lehnte das Ansinnen ab. Die "linksextremistischen Tendenzen" galten hier ebenso als Begründung wie die Tatsache, dass innerhalb der Partei und deren Nachwuchs antikapitalistische Bestrebungen stattfänden. Antikapitalistisch, so die Ansicht des Ministeriums anscheinend, sei gleichzusetzen mit verfassungsfeindlich.

Seit 2006 geht Solid somit leer aus - und ihre Klage gegen diese ihrer Meinung nach politisch motivierte Ungleichbehandlung ließ endlich auch die Nachwuchsförderung im allgemeinen ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Denn die Verteilung der Gelder an sich ist bereits ein Mysterium. Entschieden wird hierüber im Ring politischer Jugend, dem auf Bundesebene jedoch nicht alle Jugendorganisationen angehören, Solid blieb wegen des Vetos der Jungen Union außen vor. Obgleich die Grüne Jugend und die Jungsozialisten sich offiziell für Solid starkmachen, ist auch für sie dieser Ausschluss lukrativ - immerhin hat sich der Verteilerschlüssel für die Gesamtsumme in den letzten Jahren nicht verändert. Jeweils 37,1% gehen an die Jungsozialisten und die Junge Union, jeweils 12,9% an die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend. Wie genau über die Verteilung entschieden wird und auf Grund welcher Kriterien, ist unbekannt. Zwar spielt die Mitgliederzahl eine Rolle, aber es sind auch geplante (!) Projekte entscheidend. Weitere Details sind unbekannt. Das Gremium aus den vier beteiligten Nachwuchsorganisationen entscheidet also intransparent darüber, welche der Gelder an welchen Protagonisten gezahlt werden und bleibt durch den Ausschluss von Solid unter sich.

Die "Förderung politischer Bildung" wird endgültig zur Parteiförderung, wenn die "Mutterpartei" von dem durch den Fördertopf entstandenen Einsparpotential profitiert und Parteimaterial wie z.B. die Mitgliederzeitschriften durch die ministerialen Zahlungen finanziert werden. Doch als eine solche Parteiförderung ist das Geld nicht gedacht gewesen, diese Finanzierung sollte durch die Parteien selbst gewährleistet werden.

Keine Parteiförderung auf indirektem Weg

Solid beharrt auf seiner Ansicht, es sei hier eine politisch motivierte Ungleichbehandlung vorgenommen worden, weshalb Klage beim Verwaltungsgericht in Berlin eingereicht wurde. Das Gericht schloss sich der Ansicht des Ministeriums, Antikapitalismus sei auch antidemokratisch, nicht an und urteilte, dass die Vorbehalte nicht ausreichten, um Solid den Anteil am Fördertopf vorzuenthalten. Für die Nachwuchsorganisation ein wichtiger Sieg, denn es geht um etliche hundert Euro, die seit 2006 eben nicht gezahlt wurden. Doch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Jahr 2009 wurde vom Ministerium nicht akzeptiert und es legte Berufung ein.

Über diese Berufung entschied nun das Oberverwaltungsgericht Berlin und gab der Bundesfamilienministerin Recht: keine Förderung für Solid. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht zugleich die gesamte Förderpraxis für rechtswidrig erklärt, weshalb nun bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung alle Nachwuchsparteien leer ausgehen. Revision beim Bundesverwaltungsgericht ist möglich. Dass das Ministerium diesen Weg geht, darf angenommen werden, da Frau Schröder bei ihrem Kampf gegen den Linksextremismus (dessen Informationsmaterial sie auch schon einmal mit Fotos von den "Freiheit statt Angst"-Demonstrationen gegen die Vorratsdatenspeicherung etc. oder von Graffitis von der Initiative gegen Videoüberwachung "Stop control" garniert), auf Konsequenz setzt.

Die Anhaltspunkte dafür, dass das Geld nicht für allgemeine politische Bildung, sondern vielmehr für Parteiarbeit genutzt wurde, genügten dem Gericht, um sein Urteil zu fällen. Der rechtliche Rahmen, den sich die Parteien für diese Förderung gegeben hätten, reiche jedoch für eine solche Förderung nicht aus.

Die Entscheidung ist in zweifacher Hinsicht ein Schlag für das Bundesfamilienministerium. Zum einen hat das Gericht der Ansicht, Antikapitalismus sei automatisch ein Indiz für Antidemokratentum bzw. Verassungsfeindlichkeit, als sei der Kapitalismus ein automatischer Bestandteil von Verfassung und Demokratie, klar widersprochen. Zum anderen wurde eine intransparente Praxis der getarnten Parteiförderung auf diese Weise nicht nur erneut ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, sondern dieser auch ein gerichtlicher Riegel vorgelegt. Politische Bildung sollte in Deutschland durchaus gefördert werden, die Parteien jedoch von der Unterstützung ihrer Nachwuchsorganisationen zu entlasten, indem als "Pseudoförderung politischer Bildung" den "üblichen Verdächtigen" Gelder zugeschachert werden, zementiert nur die verbreitete Ansicht, dass politische Bildung größtenteils in den (bekannten) Parteien stattfindet, die überproportional von staatlichen Geldern profitieren.