Rechtsfreier Raum Bank

Eine Umfrage legt nahe, dass im Finanzsektor in erheblichem Ausmaß bestehende Gesetze gebrochen werden

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Anfang des Monats meinte der Nobelpreisträger und ehemalige Weltbank-Chefvolkswirt Joseph Stiglitz in der Zeitung The Independent, Banker würde Geschäftsmodelle, die die Welt seit 2008 in immer tiefere Krisen stürzen, nur dann aufgeben, wenn sie echte Angst haben müssten, dafür im Gefängnis zu landen. Dass man dafür nicht unbedingt neue Straftatbestände einführen, sondern womöglich nur etwas effektiver überwachen müsste, zeigt eine Umfrage des Populus-Instituts, die von der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei Labaton Sucharow in Auftrag gegeben wurde.

In ihr sagen der 24 Prozent der rund 500 teilnehmenden Banker aus Großbritannien und den USA, Beschäftigte im Finanzsektor müssten auch mal unethisch oder gesetzeswidrig handeln, um erfolgreich zu sein. 26 Prozent haben solches Verhalten beim eigenen Arbeitgeber bereits selbst beobachtet oder davon aus erster Hand gehört. 16 Prozent der Teilnehmer geben zu, dass sie eine Straftat wie Insiderhandel begehen würden, wenn sie damit rechnen könnten, dass sie ungestraft davonkommen. Noch deutlich krimineller wird es, wenn Banker ihre Konkurrenten einschätzen sollen: Dann meinen 39 Prozent, dass diese um des geschäftlichen Erfolges willen unethisch oder gesetzeswidrig handeln.

Die Motive dafür scheinen der Umfrage nach systemisch bedingt: 30 Prozent berichten, ihre Vergütungsmodelle seien so gestaltet, dass sie Anreize oder sogar Druck zum Brechen von Gesetzen oder ethischen Standards erzeugen und 23 Prozent haben die Erfahrung gemacht, dass solcher Druck an ihrem Arbeitsplatz auf andere Weise zustande kommt. Dazu passen Berichte von Insidern aus deutschen Banken, denen zufolge man "informierten und selbstbewusste" Kunden im Bankgewerbe als "Patienten" bezeichnet und versucht, sie loszuwerden. Den weniger selbstbewussten und weniger informierten versucht man dagegen Anlageformen zu verkaufen, für die "Ziele" vorgegeben sind, bei deren Nichterfüllung die Mitarbeiter Drohungen, Demütigungen, Mobbing und Kündigung befürchten müssen.