Erinnerungen an den West-Berliner Sumpf

Der Fall Michael Braun - der Karrieresprung vom Mitternachtsnotar zum Justizsenator war in Zeiten der Bankenkrise nicht von Dauer

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Ich fordere Sie auf, überlassen Sie nicht alles den anderen. Lassen Sie uns Maßstäbe setzen!" - Dieser Aufforderung des kulturpolitischen Sprechers der damals noch oppositionellen Berliner CDU, Michael Braun, kam der Politiker heute selber nach. Nach knapp zwei Wochen im Amt des Berliner Justizsenators trat Braun von seinem Amt zurück. Eigentlich sollte der Politiker heute Mittag ein Pressegespräch über den Verbraucherschutz führen, als die Ticker seinen Rücktritt vermeldeten.

Er war in den letzten Tagen nicht nur von den Oppositionsparteien, sondern auch von der SPD und schließlich von seiner eigenen Partei immer stärker unter Druck geraten, weil er als Notar Schrottimmobilien beglaubigt haben soll. Schon vor seiner Wahl protestierten Finanznachrichtendienste gegen den Aufstieg vom "Mitternachtsnotar zum Senator für Verbraucherschutz".

Anfangs versuchte Braun sich trotz der Vorwürfe im Amt zu halten. "Soweit in den Medien Einzelfälle gravierender Baumängel dargestellt werden, weise ich darauf hin, dass es nicht zur Aufgabe eines Notars gehört, den baulichen Zustand einer Immobilie zu überprüfen", versuchte der Politiker seine Arbeit zu verteidigen. Allein an diesem Satz wurde deutlich, dass der Senator nicht mehr lange zu halten war. Als er schließlich ankündigte, bis zur Überprüfungen seiner Notarsarbeit die Dienstgeschäfte in Sachen Verbraucherschutz an seine Staatssekretärin abzugeben, war sein Rücktritt nur noch eine Frage von Stunden.

SPD hatte Angst mit in die Affäre gezogen zu werden

Dass sein Abgang sehr schnell kam, lag auch an dem Druck der Berliner SPD. Schließlich befürchtete der größere Koalitionspartner, mit in eine Affäre hineingezogen zu werden, die Erinnerung an den West-Berliner Sumpf der 1980er und 1990er Jahre weckt. Daran war 2001 schließlich die große Koalition zerbrochen, als der damals noch neue Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zunächst eine Koalition mit den Grünen antrat, um nach den für die CDU verlustreichen Neuwahlen ein Bündnis mit der PDS einzugehen.

Im noch vom Frontstadtklima geprägten West-Berlin war diese Entscheidung durchaus nicht risikolos. Doch Wowereit gelang es, die PDS und ihre Nachfolgepartei zu einem pflegeleichten Koalitionspartner zu domestizieren, der im Laufe der Regierungszeit mehr als die Hälfte ihrer Wähler verlor. Vor den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus gingen fast alle Analysten von einem von der SPD und den Grünen gestellten Senat aus. Umfragen ergaben auch, dass diese Konstellation von der Mehrheit der Wähler und Mitglieder beider Parteien gewünscht wurde.

Doch der Machtmensch Wowereit sah in der Union den weniger konfliktträchtigen Koalitionspartner und holte sich damit prompt den Berliner Sumpf der vergangenen Jahre zurück. Daher drohte die Affäre Braun auch zur Affäre Wowereit zu werden. In seiner knappen Erklärung [http://www.klaus-wowereit.de/news.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=6049 nannte] er Brauns Rücktritt "eine notwendige Entscheidung". Auch die Berliner CDU dürfte über den schnellen Abgang Brauns erleichtert sein. Schließlich versuchte sie fast ein Jahrzehnt Distanz zum Berliner Sumpf zu gewinnen, mit dem sie durch die Affäre Braun nun wieder verbunden wird.