Mieter: Geteilte Probleme in gemeinsame Kämpfe übersetzen

In wohlhabenden Metropolen wird der Platz eng für Mieter mit geringen Einkommen - ein europäischer Aktionstag versucht, in mehreren Ländern Mieter zu mobilisieren

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Eine Hausbesetzung hat es in Berlin schon lange nicht mehr gegeben. Doch am 19. Oktober haben obdachlose Familien eine ehemalige Polizeiwache im Berliner Stadtteilladen Lichtenberg besetzt, die seit Jahren leer steht. Die Politik blieb ihrer Berliner Linie treu, besetzte Häuser sofort räumen zu lassen. Trotzdem hat die Besetzung aus zwei Gründen eine politische Bedeutung. Die daran Beteiligten sind Menschen, die bisher obdachlos waren, in Gartenlauben und alten Fabrikanlagen gelebt haben und angesichts der sinkenden Temperaturen ein festes Domizil brauchen und darum kämpfen.

Zudem war die Besetzung in Berlin Teil eines europaweiten Aktionstages für das Recht auf Wohnen. In Amsterdam gab es ebenso Aktionen wie in Griechenland, Ungarn, Portugal, Frankreich, Polen und in verschiedenen italienischen Städten. Auch aus Zürich gab es eine Reihe von Aktionen für Mieterechte.

Damit wird schnell deutlich, dass nicht nur in den bekannten Krisenländern an der europäischen Peripherie Mieter aktiv werden. Gerade in wohlhabenden Städten wie Zürich wird der Platz für einkommensschwache Menschen eng. Das zeigt sich dort genauso wie in Stockholm, wo im Mai Unruhen die Erzählung vom sozialdemokratischen schwedischen Wohlfahrtstaat als Mythos entlarvten.

Archiv des transnationalen Mieterkampfes

Schon im Vorfeld des europäischen Aktionstages fand an Technischen Universität in Berlin eine Diskussionsveranstaltung unter dem Motto "Wohnen in Europa – geteilte Probleme – gemeinsame Kämpfe?" statt. Dort wurde deutlich, dass auch für den Kampf um das Recht auf eine Wohnung der nationale Rahmen viel zu eng wird.

So sind besonders viele Romafamilien in Berlin obdachlos. Sie sind EU-Bürger und können sich daher auch im EU-Raum frei bewegen. Trotzdem wird noch immer so getan, als wären die Menschen Migranten, die in ihre Heimatländer zurückkehren sollen. Die Berliner Mietergemeinschaft setzt sich schon länger dafür ein, dass Mieteraktivisten über den nationalen Tellerrand hinausblicken. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Wohnen in der Krise" wurden bereits Mieteraktivisten aus den USA, Spanien Polen, Griechenland, Russland, Niederlande, Frankreich und Istanbul eingeladen.

Bei der Türkeiveranstaltung konnte mit Imre Azem der Regisseur von Ecumeopolis gewonnen werden, der die Schattenseiten des türkischen Wirtschaftswunders deutlich gemacht hat. Alle Veranstaltungen sind mit Videos zu den Kämpfen im Netz archiviert. So ist hier ein beachtenswertes Archiv des transnationalen Mieterwiderstands entstanden, auf das sicher noch oft zurück gegriffen wird, wenn der Aktionstag tatsächlich der Anfang einer länderübergreifenden Mieterbewegung gewesen sein sollte.