Bundesinnenministerium organisiert Software für "Stille SMS"

Eine Rahmenvereinbarung zur Softwarenutzung regelt den Versand heimlicher "Ortungsimpulse" durch Länderpolizeien. Weitere Details halten die Innenministerien aber geheim

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Anscheinend nutzen deutschen Länderpolizeien seit mindestens acht Jahren sogenannte "Stille SMS" zur Ortung von Observierten. Die nötige Software wird von einem privaten Anbieter bereitgestellt, der von der Bundesregierung unter Vertrag genommen wurde. Dies geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Hamburger Linksfraktion hervor, die der Senat am Freitag beantwortet hatte.

Die Hamburger Landesregierung hatte ausweislich des nun vorliegenden Schreibens am 1. September 2004 einen Vereinbarung über "eine vorläufige Nutzung der Software geschlossen". Im Dezember des darauf folgenden Jahres wurde die temporäre Nutzung in eine dauerhafte Lizenz umgewandelt. Zu den Kosten wurden indes keine Angaben gemacht. Auch um welchen Anbieter es sich handelt, soll geheim bleiben.

Das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz hat angeblich "keinen eigenen Vertrag mit einem privaten Unternehmen" für die Lizenz einer Software abgeschlossen. Auf welche Weise der Geheimdienst arglose Inhaber von Mobiltelefonen ausspioniert, will der Senat "aus Gründen des Geheimschutzes" nicht beantworten.

Der Hamburger Vertrag beruht auf einer Rahmenvereinbarung, die vom Bundesministerium des Innern mit einem privaten Unternehmen geschlossen wurde. Bisher war unklar, ob davon auch das Versenden der "Stiller SMS" abgedeckt war. Eine Schriftliche Frage im Bundestag brachte zunächst keine Ergebnisse, das antwortende Innenministerium redete um die Existenz des Rahmenvertrags herum. Erst die Antwort aus Hamburg enthüllt jetzt Details.

Gleichwohl hat mindestens das Land Niedersachsen eine private Firma auch für das Versenden der Spionage-SMS unter Vertrag genommen ( Firma spioniert mit "stillen SMS"). Dem Anbieter werden die Telefonnummern verdächtiger Personen per Webinterface übermittelt. Das Innenministerium in Niedersachsen will darin keine Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen erkennen.

Ausweislich einer früheren Auskunft sei es dem Hersteller unmöglich, die Zahl versendeter Mitteilungen anzugeben. Dafür müsste die genutzte Software neu programmiert werden. Obwohl es sich dabei um eine simple Protokollfunktion handelt, verlangt die Firma dafür 80.000 Euro.

Die Polizei in Hamburg versendet ihre "Stillen SMS" über das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Nordrhein-Westfalen. Das LZPD gehört zum Landeskriminalamt und ist seit mindestens fünf Jahren der Überwachungsdienstleister für Behörden anderer Bundesländer: Seit Juni 2007 wird der Versand von "Stillen SMS" beispielsweise für Hamburg übernommen. Auch Bundesbehörden scheinen die Dienste des Landeskriminalamts bzw. der LZPD in Nordrhein-Westfalen in Anspruch zu nehmen. Die Bundesregierung möchte dies aber weiter geheim halten. Den Bedarf hierfür hätten neben dem Bundeskriminalamt oder dem Zollkriminalamt auch die Bundespolizei oder die Generalbundesanwaltschaft.

Mittlerweile wächst auch in anderen Ländern der Unmut über die massenhafte Nutzung von Mobiltelefonen für die polizeiliche Ausforschung. Die "American Civil Liberties Union" (ACLU) hatte am Wochenende öffeentlich gemacht, wie US-Polizeien landesweit immer öfter die Ortung von Mobiltelefonen per Funkzellenabfrage praktizieren.

Doch auch in Deutschland sinken die Grenzen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme. Anlässlich der Proteste gegen die Nazi-Demonstrationen in Dresden letztes Jahr hatte das sächsische Innenministerium noch behauptet, die Funkzellenabfrage nur bei schweren Straftaten vorzunehmen. Das sieht man wohl nicht mehr so eng: Laut einem Bericht von Radio Dresden wurde die Maßnahme kürzlich im Zusammenhang mit einer Farbbeutelattacke auf ein Dresdner Stadion vorgenommen. Den benötigten richterlichen Beschluss besorgte das Amtsgericht.