Polizisten in der Unterwelt, Unterweltgestalten beim Geheimdienst

Rätsel um Insiderwissen und italienische Rechtsterroristen in Luxemburg

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Auch diese Woche boten der Luxemburger Geheimdienstprozess sowie der parallel tagende Geheimdienstuntersuchungsausschuss wieder interessante Einblicke über die Umstände der rätselhaften Anschlagserie zwischen 1984 bis 1986.

Bei fast allen Bombenattentaten war der ortsübliche Sprengstoff „Luxite“ verwendet worden, der zuvor in der Gipsmine der Plâtrières Irthum in Helmsingen von Unbekannten gestohlen worden war. Dieser sowie weitere zum Bombenbau verwandte Gegenstände wie Sprengkapseln waren in einem seismologischen Labor im 18 km langen Stollen aufbewahrt worden. Der ursprüngliche Anschein, Terroristen hätten das Luxite entwendet, wird jedoch zunehmend infrage gestellt. So war rätselhaft, weshalb Außenstehenden der Aufbewahrungsort der Sprengmittel bekannt war und diese sich nicht im unterirdischen Stollen verlaufen hätten. Eine mögliche Erklärung könnte darin liegen, dass in der Mine Besucherrundgänge stattfanden. Unter den Gästen, die sich dorthin unter Tage begaben befand sich allerdings auch einmal ausgerechnet die in Verdacht geratene Spezialeinheit "Brigade mobile de la Gendarmerie" in Begleitung des Großherzogs.

Ob dieser Besuch vor den Anschlägen oder danach stattfand, ließ sich bislang nicht recherchieren, ein entsprechendes Gästebuch ist verschwunden. Zum damaligen Leiter der seismologischen Station, soll der inzwischen verstorbene Kommandant der Spezialeinheit, Jos Steil, in gutem Kontakt gestanden haben. Bei den beiden im Prozess Angeklagten handelt es sich um vormalige Angehörige dieser Brigade mobile de la Gendarmerie. Beim heutigen Prozesstag wurde nun auf einen Zeitschriftenartikel von 1983 über die Mine verwiesen, der eine Orientierung Außenstehender erklären soll.

Das Luxemburger Wort, das den Prozess seit Monaten ausführlich dokumentiert, misst den unbekannten Tätern „Insiderwissen“ bei und verweist darauf, dass diese aufgrund der konkreten Tatbegehung im Umgang mit Sprengstoff erfahren sein mussten, auch sei eine Kenntnis über Bewachung von Objekten offensichtlich. Auch die Erpresserbriefe, die an das Luxemburger Energieversorgungsunternehmen geschickt wurden, deuten auf Insiderwissen über die Polizeitaktik. So scheint eigentlicher Gegner der unbekannten Täter nicht das Unternehmen gewesen zu sein, sondern die Gendarmerie. Auch das BKA sei zu dem Schluss gekommen, dass die Attentate selbst den Briefeschreibern wichtiger gewesen sein dürften als das vorgeblich begehre Geld. Erstaunlicherweise sei nicht gefordert worden, die Polizei aus den stets gescheiterten Geldübergaben herauszuhalten.

Wie das Luxemburger Tageblatt berichtet, lebte während den Attentatsjahren nicht nur der Gladio- und Propaganda Due-Mitbegründer Licio Gelli in Luxemburg (inklusive Sozialversicherungsnummer), auch der Rechtsterrorist Stefano Delle Chiaie soll sich in Luxemburg aufgehalten haben. Delle Chiaie wird wie Gelli mit dem Attentat in Bologna in Verbindung gebracht und war etwa mit dem „Schlächter von Lyon“ Klaus Barbie befreundet, der für die CIA und 1966 für den BND arbeitete. Nach ZDF-Informationen soll Delle Chiaie u.a. von Franz-Joseph Strauß finanziert worden sein und Kontakte zu Stay Behind-Netzwerken unterhalten haben.

Delle Chiaie hatte u.a. mit dem Rechtsterrorist Guido Gianettini auch für den italienischen Geheimdienst SIFAR gearbeitet. Gianettini verfügte über beste Kontakte zur deutschen Waffenlobby, BND und der CIA. Zu Delle Chiaies Freunden zählte auch der CIA-Killer Michael Vernon Townley, der 1975 ebenfalls in Luxemburg spitzelte und in Lateinamerika an der „Operation Condor“ beteiligt gewesen war. Der im Zeugenschutzprogramm untergetauchte Townley wurde in Italien in Abwesenheit wegen Mordes verurteilt. ihm wird auch der Mord am chilenischen Diplomaten Orlando Letelier zur Last gelegt, der 1976 in Washington D.C. mit seiner Mitarbeiterin getötet wurde - durch eine Bombe.