China: Erfolgreiche Proteste

Dorfbewohner können sich nach Straßenschlachten gegen lokale Behörden durchsetzen. Ausschlag gibt die Vermittlung von Reformern aus der Provinzhauptstadt

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Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet vor einigen Tagen von einem bemerkenswerten Erfolg, den die Bewohner des chinesischen Dorfes Wukan in der Nähe von Hongkong - mit 13.000 Einwohnern nach deutschen Maßstäben eher eine Kleinstadt - erzielten. Nach monatelangen zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen, die ein Todesopfer forderten, hat ihnen ein Untersuchungskommission der Provinz teilweise Rechte gegeben. Die Wahl der örtlichen Verwaltung, bei der es zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, wurde annulliert, u.a. war dem Bürgermeister Korruption vorgeworfen worden.

Im Kern ging die Auseinandersetzung aber um Landrechte. Derartige Konflikte gibt es in der Volksrepublik jährlich zu tausenden, und nicht selten spitzen sie sich ähnlich stark zu wie in Wukan. Zeitgleich mit den dortigen Vorfällen gab es zum Beispiel ganz in der Nähe beim Städtchen Hainan erhitzte Demonstrationen gegen den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks. Die dortigen Fischer befürchten eine Verschmutzung der Küstengewässer durch den Bau.

Das Besondere an den chinesischen Verhältnissen ist, dass es dort keine Eigentumstitel an Land gibt, sondern nur Nutzungsrechte, die von den Behörden verteilt werden. Meist erhitzen sich die Gemüter wegen unzureichender Kompensation für jene Familien, die das Land zuvor bestellt hatten.

So auch im Falle Wukans. 400 Hektar Bauernland sollen dort von den örtlichen Behörden seit 1998 den Bewohnern ohne Entschädigung weggenommen worden sein. Das Land wurde unter anderem Agrargroßbetrieben zur Verfügung gestellt. Im September war es darüber zu Straßenschlachten und der Verwüstung öffentlicher Büros gekommen.

Drei Menschen saßen seitdem in Haft, ein vierter kam Anfang Dezember im Polizeigewahrsam um. Nach der offiziellen Version lag eine natürliche Todesursache vor, doch die Familie befürchtet, der Mann sei zu Tode geprügelt worden. Entsprechend spitzte sich der Konflikt weiter zu. 80 Prozent der Dorfbewohner seien bereit, im Kampf um ihre Rechte Blut zu vergießen, zitierte die in Hongkong erscheinende Zeitung South China Morning Post einen Sprecher der Protestierenden.

Kurz vor Weihnachten griff schließlich die Provinzregierung von Guangdong vermittelnd ein. Guangdong gehört zu den Boom-Regionen an Chinas Südküste und umschließt Hongkong und Macau. Die eingesetzte Untersuchungskommission wurde unter anderem mit einem Vertreter des Provinz-Parteichefs Wang Yang besetzt, was der Sache eine landesweite Bedeutung gibt.

Wang Yang gilt nämlich als Reformer und hat unter anderem dafür gesorgt, dass Guangdong als erste Provinz ihren Haushalt veröffentlicht. Auch sollen in seinem Einflussbereich die Medien ungewöhnlich viel Spielraum haben. Wenn im Frühjahr eine umfangreiche Erneuerung der chinesischen Führung ansteht, wird er aller Voraussicht nach in das neunköpfige Ständige Komitee des Politbüros der KP, dem inneren Zirkel der Macht, aufrücken.

Als sein politischer Gegenspieler gilt Bo Xilai, der Provinzparteichef der Megametropole Chongqing, der ebenfalls als Kandidat für einen der sieben frei werdenden Sitze gilt. Bo betreibt ganz im Gegensatz zu Wang eine Law-and-Order-Politik und bedient sich dabei eines für chinesische Verhältnisse sehr ungewöhnlichen Populismus.

Unterdessen scheint Wang aber in Beijing (Peking) einflussreiche Verbündete zu haben. Die dortige Volkszeitung, ein führendes Blatt der KP, soll nach einem anderen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters Wangs Eingreifen in höchsten Tönen gelobt haben.