Massive Truppenbewegungen in Honduras

Konflikt zwischen Großgrundbesitzern und landlosen Bauern um Bodenreform könnte innenpolitische Lage weiter eskalieren

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In Honduras spitzt sich ein seit Monaten schwelender Konflikt zwischen Großgrundbesitzern und landlosen Bauern massiv zu. Nach Berichten honduranischer Medien wurden am Samstag tausende schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten in die Region Bajo Aguán im Norden des mittelamerikanischen Landes entsandt. Beobachter sprechen von "beeindruckenden Truppenbewegungen".

In dem Verwaltungsbezirk Colón setzen sich tausende Familien landloser Bauern mit Bestzungen für eine Bodenreform ein. Eine Eskalation des Streits könnte auch die ohnehin angespannte innenpolitische Lage nach dem Staatsstreich ( Präsident in Honduras durch Militärputsch gestürzt) gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung unter Führung des liberalen Politikers Manuel Zelaya Ende Juni vergangenen Jahres wieder anheizen.

Medienberichten zufolge wurden am Wochenende 2.500 bewaffnete Kräfte in die Region entsandt, in der seit Anfang des Monats bereits zwei Aktivisten der Bewegung landloser Bauern ermordet wurden. In beiden Fällen werden Paramilitärs für die Morde verantwortlich gemacht. "Es gibt einen klaren Zusammenhang zu dem Vorwurf, dass Paramilitärs aus Kolumbien angeworben wurden, um gegen diejenigen vorzugehen, die sich für einen Prozess des sozialen Wandels einsetzen", so Rasel Tomé, ein enger Mitarbeiter des gestürzten Präsidenten Zelaya, im Interview mit Telepolis. Yony Rivas, ein Mitglied der lokalen Bauernorganisation Unabhängige Bauernbewegung von Aguán (MUCA), berichtet: "Bajo Aguán ist derzeit praktisch vollständig militarisiert, wir haben mindestens 20 Militärfahrzeuge mit schwerer Bewaffnung gesehen."

Der Landkonflikt im Norden von Honduras steht in direktem Zusammenhang zu dem politischen Konflikt, der im vergangenen Jahr zum Sturz der Regierung von Manuel Zelaya geführt hat. Zum Putsch kam es, weil Präsident Zelaya auf Drängen sozialer Organisationen eine Verfassungsreform durchführen wollte. Ein wichtiges Ziel dabei war die Etablierung sozialer Rechte und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen, darunter des fruchtbaren Bodens. Im Konfliktgebiet im Departement Colón befinden sich die Weideflächen im Besitz von drei Unternehmern: René Morales, einem nicaraguanischen Staatsbürger, Reynaldo Canales aus El Salvador und Miguel Facussé Barjúm, einem gebürtigen Palästinenser.

Das Engagement der Landlosenbewegung wird daher direkt von der Widerstandsfront gegen den Staatsstreich unterstützt, die nach dem Putsch als Bündnis Dutzender sozialer und politischer Organisationen gegründet wurde. Nach Angaben dieser Allianz wurde die laufende Militäroffensive von der US-Armee unterstützt. Die US-Streitkräfte unterhalten inzwischen zwei Stützpunkte in dem kleinen mittelamerikanischen Land. Von der Luftwaffenbasis Palmerola im zentralen Departement Comayagua hätten in den vergangenen Tagen US-Armeehubschrauber des Typs Black Hawk das Konfliktgebiet überflogen und Aufnahmen von dem Großgrundbesitz geschossen, der von rund 3.500 Familien besetzt gehalten wird.

Die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina verwies indes auf Warnungen der Organisation MUCA, nach denen der ehemalige honduranische Militär Fernando "Billy" Joya in der Region paramilitärische Milizen aufbaut. Joya kommandierte in den 1980er Jahren die Todesschwadron 3-16, die für zahlreiche Morde verantwortlich gemacht wird. Unter Diktator Roberto Micheletti kam er aus dem Exil nach Honduras zurück.

Lokale Beobachter zeigen sich äußerst besorgt von den jüngsten Entwicklungen. Die Menschenrechtsorganisation COFADEH warnte am Freitag vor einer groß angelegten Offensive gegen die Landlosenbewegung. Kurz zuvor hatte der international nur von wenigen Staaten anerkannt De-facto-Präsident Porfirio Lobo in einer von staatlichen und privaten Radio- und Fernsehsendern zwangsweise übertragen Ansprache vor Waffenschmuggel gewarnt.

Die Organisation COFADEH und die Menschenrechtsorganisation FIAN Honduras äußerten sich besorgt über die "erstaunliche Erklärung". Die Stellungnahme über angeblichen Waffenschmuggel "ist tatsächlich eine Beschuldigung sozialer und politischer Bewegungen, die sich gegen eine Kriminalisierung der Konflikte in Honduras wenden". Diese Linie werde vom Sicherheitsministerium und der Armee diktiert "und belegt die Schwäche der Zivilregierung an der Staatsspitze".