China: Sippenwirtschaft im Kommunismus

Die engere Familie von Regierungschef Wen Jiabao soll nach Recherchen der New York Times mindestens ein Vermögen von 2,7 Milliarden US-Dollar angehäuft haben

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Wie die New York Times herausgefunden haben will, scheint es sich in China zu lohnen. Politiker zu werden. Zumindest wenn man hoch in der Hierarchie aufsteigt. Angeblich stammt der noch amtierende Regierungschef Wen Jiabao, der gerne als Reformer auftritt und die Korruption bekämpfen will, aus ärmlichen Verhältnissen, was immer eine Durchlässigkeit der chinesischen Gesellschaft zu beweisen scheint, vermutlich vor allem dann, wenn man der Kommunistischen Partei angehört.

Die Mutter war eine Lehrerin, der Vater hütete auch schon mal Schweine, "extrem arm" sei die Familie gewesen, sagte Wen Jiabao, der allerdings wie andere Politiker Transparenz nicht so schätzt. Seine jetzt 90jährige Mutter soll nun ziemlich extrem reich sein, zumindest auf dem Papier. Nur eine einzige Investition in das Finanzunternehmen Ping An betrug vor 5 Jahren stattliche 120 Millionen US-Dollar.

Auch sonst wuchs der Reichtum der Familie mit dem Aufstieg von Wen Jiabao in der Partei und der Regierung. Nach Recherchen der NYT sind auch seine Frau, sein Sohn, seine Tochter, sein Bruder und sein Schwager extrem reich geworden. Insgesamt verfügen sie über ein Vermögen von mindestens 2,7 Milliarden US-Dollar. Nicht schlecht für die Familie eines Kommunisten. Aber die Namen der Verwandten wurden meist sogfältig versteckt hinter ganzen Schichten von Partnerschaften und Investmentanlagen mit Freunden, Arbeitskollegen und Geschäftspartnern, die nur mühsam zu entwirren waren. Und offenbar machte man Geschäfte, wie und wo es nur ging: Banken, Juweliere, Tourismus, Telekommunikation, Reifenhersteller, Finanzdienste oder Bauunternehmen, die u.a. auch Olympische Stadien errichteten.

Das funktioniert alles prächtig zur persönlichen Bereicherung, weil es in China zwar kapitalistisch zugeht, aber die großen Unternehmen staatlich sind und die Wirtschaft vom Staat reguliert wird. Als Regierungschef kann er auch staatliche Investitionen in bestimmte Branchen lenken oder können seine Verwandten frühzeitig wissen, wohin Geld fließen wird oder welche Unternehmen an die Börse gehen. Unklar ist, ob Wen Jiabao die geschäftlichen Aktivitäten seiner Familie gefördert hat oder er in seiner Position von dieser ausgenutzt wurde. Ob er sich persönlich bereichert hat, ist ebenso unbekannt.

Auch die Familie des Vizepräsidenten Xi Jinping, der vermutlich der nächste Präsident werden wird, soll Hunderte von Millionen aufgehäuft haben. Als Bloomberg News Ende Juni darüber berichtete, wurde der Zugang zu der Website gesperrt. Das sind die praktischen Seiten der Zensur und der digitalen Chinesischen Mauer.

Update: Das chinesische Außenministerium weist den Bericht der NYT zurück und bezeichnet ihn als "Schmierenkampagne". Und die Bürger des Landes werden wieder von dieser "beschützt": Die Website der NYT wird seitdem blockiert, wie die BBC berichtet.