Österreich: Studentenproteste weiten sich aus

Wer angenommen hat, die Wiener Studentenproteste würden rasch wieder im Sande verlaufen, wurde eines Besseren belehrt.

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Die Studenten haben sich in den besetzten Hörsälen inzwischen nicht nur gut eingerichtet haben, am Dienstag wurden nach dem österreichischen Staatsfeiertag Hörsäle in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck, sowie an weiteren Wiener Universitäten besetzt (siehe auch: Studentenrevolte in Wien).

Montag Nacht waren noch Gerüchte aufgekommen, die "Wega", die Elitetruppe des Innenministeriums, würde das Audimax am Dienstag in den frühen Morgenstunden zu räumen versuchen, woraufhin sich fast 1000 Studenten zum gewaltlosen Widerstand bereit machten und das Audimax über Nacht besetzt hielten . Dass es sich dabei nicht nur um ein Gerücht gehandelt hatte, bestätigte die Wiener Polizei gegenüber der "Presse": "Eine Räumung stehe durchaus zur Diskussion, man wolle aber noch zuwarten."

Am Mittwoch findet als vorläufiger Höhepunkt ausgehend von der Hauptuni ein Demonstrationszug statt, der angesichts der Flut an Solidaritätsbekundungen einigen Zulauf erwarten kann. Immerhin hat auch der ORF, das Leitmedium des Landes, das sich bis Montag mit der Berichterstattung auffällig zurückgehalten hat, inzwischen die Berichterstattung aufgenommen. Zuvor war auffällig, dass zwar die Privatsender ihre Kamerateams herumwieseln ließen, der ORF hingegen mit Abwesenheit glänzte – und in Österreich ist es nach wie vor so, dass etwas erst dann öffentliche Relevanz besitzt, wenn es der ORF berichtet. Eine von Telepolis darauf angesprochene ORF-Redakteurin behauptete nur, man habe adäquat berichtet und beharrte darauf, dass keinesfalls irgendjemand versuche, die Angelegenheit medial auszutrocknen. Was hätte sie sonst aber auch sagen sollen. Der Eindruck eines ORF-Kameramanns war jedenfalls ein anderer: "Na klar, das wird herunter gespielt. Nur geht das jetzt halt nicht mehr, wenn das so um sich greift."

Die Studenten wollen jedenfalls auch den ORF zu einer umfangreicheren Berichterstattung motivieren und haben sich dafür ein Thema ausgesucht, das dem ORF zuletzt breiteste Aufmerksamkeit wert war: So hatten Angehörige des Bundesheeres gerade erst am Samstag auf dem Wiener Heldenplatz einen Weltrekord im Mambotanzen aufgestellt. Am Ende der Mittwochs-Demo soll dieser Rekord gebrochen werden, wobei allerdings auch gleichgeschlechtliche Paare tanzen dürfen.

Der bislang für die österreichischen Unis zuständige Wissenschaftsminister Hahn ist den Demonstranten als Gegner indes abhanden gekommen, da er von der Regierung zum EU-Kommissar delegiert wurde, ohne freilich noch ein Ressort erhalten zu haben.

Sollte Hahn jedoch auch auf EU-Ebene mit Universitäts-Angelegenheiten befasst sein, könnte er auf dieselben Probleme treffen, die er schon zu Hause ignoriert hat. Immerhin wollen inzwischen bereits Studenten von nicht-österreichischen Unis versuchen, vergleichbare Aktionen gegen den Bolognaprozess usw. zu starten, in Deutschland z.B. in München und Halle.