Die SPD und die Vorratsdatenspeicherung – zurück zu den Wurzeln

Außer Kontrolle

Zwischenzeitlich gab es vereinzelte Hoffnungen, dass die SPD, die dereinst für die Etablierung der VDS verantwortlich zeichnete, dazugelernt hätte. Doch diese Hoffnung war trügerisch, wie sich zeigt.

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Auch wenn die CDU/CSU gerne als die Hardliner-Partei angesehen wird, wenn es um die Vorratsdatenspeicherung (VDS) geht, so war die umstrittene Maßnahme, die stets von ihren Protagonisten mit dem Kampf gegen Terror und Kinderpornographie in Verbindung gebracht wird, gerade auch ein Steckenpferd der SPD. Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily war es, der die VDS zielstrebig vorantrieb und seine ehemalige Staatssekretärin und spätere Bundesjustizministerin, Brigitte Zypries, zeigte sich von der Idee so überzeugt, dass sie, als der Bundestag der VDS zweimal eine Absage erteilte, sich redlich Mühe gab, die EU-Abgeordneten davon zu überzeugen, dass es an der Zeit sei, die VDS über den Umweg der EU-Richtlinie zu etablieren.

Unter anderem Jörg Tauss fand damals deutliche Worte zum Verhalten der Bundesjustizministerin

Die Justizministerin muss sich endlich über eines klar werden: Sie ist nicht mehr Otto Schilys weisungsgebundene beamtete Staatssekretärin, sondern als Ministerin die Hüterin der Verfassung und der Bürgerrechte.

Seitdem gilt, nicht zuletzt wegen der Nebelkerzenstrategie, die die SPD fuhr, die ehemals als sozial und demokratisch angesehene Partei bei vielen wegen ihrer Haltung zur VDS und dem „Sündenfall ALG II“ als Partei, die ihr sozialdemokratisches Profil, dezent gesagt, erst wiederfinden muss.

Als Mitglieder des Gesprächskreises “Netzpolitik und Digitale Gesellschaft” beim SPD-Parteivorstand einen Antrag stellten, der (analog zu den Vorstellungen der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger) sich auf die Speicherung von der Zuordnung IP-Adresse/Computernutzer hinter der IP-Adresse beschränkte, keimte insofern Hoffnung auf, die SPD habe von dem als „Horrorkatalog“ bekannten Ansinnen, auch bezüglich Email, SMS etc. umfangreich zu speichern, Abstand genommen. Jene, die stets betonten, auch die „VDS light“ oder „light plus“ sei eine Vorratsdatenspeicherung, wurden als Menschen, die sich der Realpolitik verweigerten, als kritikresistente Hardliner und sinnbefreite Prinzipienreiter angesehen, die Warnung, dass die einwöchige IP-Speicherung, die von den „Netzpolitikern“ befürwortet wird, das Einfallstor sein würde für die VDS im weiteren Sinne, wurde kleingeredet. Die Diskussion darüber wird allmählich obsolet da sowohl CDU/CSU als auch die SPD sich immer stärker annähern, wenn es um die VDS geht.

Während im Antragsbuch zum bevorstehenden Bundesparteitag die Jungsozialisten und die sozialdemokratischen Juristen noch eine Abschaffung der VDS befürworten, wurde dies als „erledigt“ durch den Antrag 30 im Antragsbereich I angesehen. Dieser jedoch hat es in sich - zwar will man die VDS eindämmen, doch hier wiederholt sich dann auch die Geschichte. Die Worte des Jörg Tauss kommen einen in den Sinn, wenn unter „Eindämmung“ lediglich eine zeitliche Eingrenzung der VDS auf drei statt 6 Monate verstanden wird. Auch 2007 waren es die mit „Bauchschmerzen“ zustimmenden SPDler die quasi für ihre Zustimmung zur VDS noch Beifall erwarteten da sie ja wenigstens Schlimmeres verhindert hatten. Jörg Tauss, der sich in Machtlosigkeitsrhetorik angesichts der Vorgaben der EU übte, formulierte das (angesprochen auf seine "Wendehalstaktik") 2003 wie folgt:

Was ist denn das für eine Albernheit? Da die Richtlinie kommen wird, habe ich dafür gesorgt, dass in Deutschland allenfalls eine Mindestumsetzung erfolgt. Dies habe ich den Antrag reinverhandelt, so dass ich ihm selbstverständlich dann auch zugestimmt habe. Hierfür hätte ich eigentlich eher Anerkennung erwartet. Bitte erst denken und informieren, dann schreiben. (Jörg Tauss, 2003)

((Anmerkung und Richtigstellung: Jörg Tauss hat zwar den damaligen Kompromiss mit ausgehandelt, an der Abstimmung jedoch nicht teilgenommen da er aus gesundheitlichen Gründen verhindert war. Ein Einschränkung auf 6 Monate hält er durchaus für einen politischen Erfolg zur damaligen Zeit, davon ausgehend, dass die anderen Befürworter Speicherzeiten für bis zu 3 Jahren in Betracht zogen. Nach eigener Aussage hätte er dem Gesetz nicht zugestimmt. --- ich danke Herrn Tauss für seine Stellungnahme und Korrektur diesbezüglich. ))

Von einer Einschränkung auf bestimmte Daten, z.B. IP-Adressen, ist im I30 nicht mehr die Rede. Interessant ist auch mit welcher Begründung das Quick Freeze-Verfahren abgelehnt wird. Zum einen sei es als Mittel zur Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung ungeeignet, zum anderen würde es rechtsstaatliche Grundsätze verletzen. Auf eine nähere Ausführung diesbezüglich wurde dann verzichtet.