Sonderkommando KSK ist mit gezielten Tötungen in Afghanistan beschäftigt

Gerade wurde noch von Regierung und Bundeswehr von der "Selbstbeschränkung" gesprochen, so macht Isaf-Sprecher Blotz nun klar, dass auch deutsche Soldaten gezielt vermeintliche Extremisten "ausschalten"

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Bundesaußenminister Westerwelle hatte schon Anfang des Monats betont, ohne dafür Begründungen anzubieten, dass gezielte Tötungen nach dem Völkerrecht in Afghanistan "eindeutig" legal seien. Zuvor hatte das Verteidigungsministerium nach der Veröffentlichung von zahlreichen Geheimdokumenten des US-Militärs aus Afghanistan nämliches versichert, aber betont, dass man der US-Task Force 373, die aufgrund von Listen Terrorverdächtige gezielt ausschalten (und lieber nicht gefangen nehmen), dass die Bundeswehr nur Informationen liefere und sich auf Gefangennahme beschränke. Der Vizesprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, erklärte auf der Bundespressekonferenz am 28. Juli:

"Hinsichtlich der letztendlichen Fragestellung der gezielten Tötung ist es in der Tat so, dass diese Möglichkeit im Regelwerk der NATO bzw. des ISAF-Einsatzes vorgesehen ist und dass sich Deutschland in diesem speziellen Fall eine Selbstbeschränkung auferlegt. Diese Selbstbeschränkung beinhaltet, dass Personen auf diesen Ziellisten nur mit der Empfehlung der Gefangennahme der amerikanische Terminus lautet "capture" - nominiert werden und dass auch die eigenen Spezialkräfte - die Taskforce 47 - nur in diesem Sinne antreten und wirken."

Auf der Bundespressekonferent am 2. Juli antwortete Dienst auf eine Frage, ob denn die Anweisung des Isaf-Oberkommandierenden General Petraeus auch für deutsche Soldaten gelten würde. Dieser hatte in der Anweisung ziemlich unmissverständlich geschrieben, dass gezielte Tötungen zum Geschäft der Nato-Truppen gehören:

"Pursue the enemy relentlessly together with our Afghan partners, get our teeth into the insurgents and don't let go. When the extremists fight, make them pay. Seek out and eliminate those who threaten the population. Don't let them intimidate the innocent. Target the whole network, not just individuals."

Dienst erklärte, die Anweisung sei auch für die Bundeswehr gültig, die Sprache müsse man auf den anderen "kulturellen Hintergrund" zurückführen, zudem habe Petraeus aufgefordert, Zivilisten zu schonen. Die "Selbstbeschränkung", so ergänzte Vizeregierungssprecher Steegmans, gelte weiterhin.

Harald Neuber fragte für Telepolis beim Außen- und Bundesministerium nach, auf welcher Grundlage gezielte Tötungen als völkerrechtlich legal betrachtet würden, aber in den Ministerien wollte man sich dazu nicht näher äußern. Es sei alles gesagt worden ( Bundesregierung bleibt ungenau bei gezielten Tötungen).

Möglicherweise verfolgt man ein Vorgehen in Scheibchen, so dass man Schritt für Schritt mehr zugibt, um sich so besser durchmogeln zu können. Dazu würde passen, dass der Isaf-Sprecher, der Brigadegeneral Josef Dieter Blotz, nun dem Tagesspiegel sagte, es gehöre auch zu den Aufgaben des Kommandos Spezialkräfte KSK, Taliban gezielt zu jagen und "auszuschalten". Gut, vorher war nur von der Bundeswehr und der Taskforce 47 die Rede. Dass nun deutsche Soldaten, nämlich die der KSK, doch auch gezielte Tötungen durchführen, hat man zwar schon seit Jahren vermutet, immerhin wurde es jetzt noch einmal offiziell ausgesprochen, was andererseits aber die Behauptung, die Bundeswehr würde der Selbstbeschränkung gehorchen, widerlegt (und sicherlich nicht im Sinne aller Abgeordneten ist, die den Bundeswehreinsatz in Afghanistan gebilligt haben).

Aber Blotz sieht das mit der KSK, den Spezialkräften und der Bundeswehr differenziert, was nicht ganz einfach zu verstehen ist:

"Gezielte Tötungen durch Spezialkräfte der Bundeswehr hat das Verteidigungsministerium definitiv ausgeschlossen. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ist jedoch auch dafür eingesetzt worden, Netzwerke von Extremisten auszuschalten."

Also gezielte Tötungen nicht, die Ausschaltung, nur ein anderes Wort dafür, von "Netzwerken" schon? Die Zahl der Spezialkräfte sei in den letzten eineinhalb Jahren stark angestiegen, sagte er, und fügte dann doch auch hinzu, dass man auch gezielte Tötungen "nüchterner" sehen müsse:

"Es ist völlig klar und verständlich, dass Extremisten, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, unsere Soldaten zu erschießen und in die Luft zu sprengen, verfolgt und bekämpft werden müssen. Wenn man über Informationen verfügt, wo solche Extremisten zu finden sind, muss versucht werden, diese auszuschalten, noch bevor sie unsere Soldaten angreifen können. Genau darum geht es."

Und genau dies ist die Grauzone der Prävention, in der Spezialkräfte dann auch wie Todesschwadronen wirken können, die Verdächtige oder mutmaßliche Extremisten "extralegal", wie man so schön sagt, auch wenn sie nicht direkt angegriffen werden oder einen solchen Angriff befürchten müssen, schon auch mal hinterrücks ausschalten, eliminieren, töten, ermorden ... Man muss die Handschuhe ausziehen und sich die Hände schmutzig machen, hatte der ehemalige US-Vizepräsident Cheney schon am 16.9. ausgerufen - und alle haben mehr oder weniger heimlich mitgemacht. "Es ist ein gemeines, ekelhaftes, gefährliches und dreckiges Geschäft da draußen", so Cheney, "und wir müssen auf diesem Schauplatz agieren." Es ist nur die Frage, ob man so Demokratie, Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und ähnliches glaubhaft in einer Gesellschaft durchsetzen kann. Spezialkräfte, so Blotz, seien "kein Problem, sondern Teil der Lösung". Das darf bezweifelt werden.