Genetische Grundlage für Selbstheilung gefunden

Ein einzelnes Gen scheint nach Experimenten mit Mäusen eine entscheidende Rolle bei der Regenerationsfähigkeit zu spielen

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Bei manchen Tieren können Gliedmaßen, Organe oder Schwänze nachwachsen. Aber es gibt nicht viele Tiere wie die Salamander, bei denen ganze Beine, die verloren gegangen sind, wieder hergestellt werden können. Vor allem ist dies bei Menschen nicht der Fall, weswegen beispielsweise die Darpa, die Forschungsbehörde des Pentagon, viel Geld nicht nur in die Prothetik steckt, sondern auch in die Forschung, um amputierte oder fehlende Glieder, aber auch Nasen, Organe oder Haut nachwachsen zu lassen.

Während die Darpa auf die Stammenzellenforschung setzt, haben nun US-Wissenschaftler vom Wistar Institute, wie sie in den Proceedings of the National Academy of Sciences berichten, ein viel versprechendes Gen entdeckt, das bei der Regeneration eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Schaltet man das Gen p21 aus, dann wächst bei den p21-Knock-out-Mäusen Gewebe in den Ohren nach, was bei normalen Mäusen nicht der Fall ist. Offenbar lässt das fehlende Gen, dass das Nachwachsen ansonsten unterdrück, die Zellen eher wie Stammzellen verhalten, indem diese ein Blastem bilden.

Die Entdeckung geht auf einen Befund der Wissenschaftler vom Wistar Institute mit MRL-Mäusen zurück, die Mitte der 90er Jahre als Modell für die Erforschung der Autoimmunitätserkrankung Lupus Nephritis gezüchtet wurden. Diesen MLR-Mäusen wurden durch Löcher in ihren Ohren markiert, die das ganze Leben über bleiben sollten, weil normalerweise hier das Gewebe nicht nachwächst. Doch in diesem Fall waren die Löcher nach ein paar Wochen ohne eine zurückbleibende Spur verschwunden. Seitdem bestand die Vermutung, dass eine Eigenschaft der MRL-Mäuse das Nachwachsen von Gewebe unterdrücken könnte.

Die Nachforschungen ergaben, dass sich MRL-Zellen auch in Zellkulturen anders verhalten als solche von "normalen" Mäusen. Es wächst nicht nur Gewebe nach, die Apoptosis nimmt auch zu. Wie sich dann bei Genanalysen herausstellte, ist bei den MRL-Mäusen das Gen p21, zuständig für die Regulierung des Zellzyklus, in den Ohren inaktiv. Das Gen wird wiederum durch das Gen p53 kontrolliert, das als Tumorsuppressor fungiert und bei Krebs eine wichtige Rolle spielt.

Bei den p21-Knock-out-Mäusen, die von den Wissenschaftlern dann mit MRL-Mäusen verglichen wurden, ist dieselbe Fähigkeit der Heilung beobachtet worden, was darauf schließen lässt, dass ein einziges Gen für das Nachwachsen von Gewebe eine entscheidende Rolle spielt. In anderen Studien mit Mäusen ist bereits beobachtet worden, dass die Ausschaltung von p21 auch Leber- oder Muskelzellen nachwachsen lässt. Allerdings weisen die p21-Knock-out-Mäuse auch eine erhöhte Schädigung der DNA auf, da p21 dazu dient, den Zellzyklus bei Genschädigungen zu blockieren, um die Entstehung von Krebszellen zu verhindern. Bei den Knock-out-Mäusen traten zwar die zu erwartenden Genschädigungen auf, aber es entwickelten sich keine Krebszellen.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die verbesserte Regeneration durch das Ausschalten von p21 mit dem Zusammenspiel von verstärkter Apoptosis und vermehrter Bildung von hoch regenerativen Zellen zu tun hat. "Das gleich dem, was man in Säugetierembryos sehen kann", erklärt Ellen Heber-Katz, die leitende Autorin der Studie, "wo p21 ebenfalls nach einer Genschädigung inaktiv wird. Das Abschalten von p21 fördert den induzierten pluripotenten Status in Säugetierzellen und stellt einen Zusammenhang zwischen Stammzellen, Geweberegeneration und dem Zellzyklus her." Von einer Anwendung bei Menschen ist man gleichwohl noch weit entfernt. Heber-Katz geht jedoch davon aus, dass für künftige regenerative Methoden die Ausschaltung von p21 zentral sein wird.