PR-Handbuch: Neuer Personalausweis in freundlichem Licht

Mit einer PR-Kampagne wollte das Bundesinnenministerium den Deutschen den neuen Personalausweis schmackhaft machen. Ein jetzt publik gewordenes Handbuch erlaubt Einblicke in die Kommunikationsstrukturen.

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Von
  • Urs Mansmann

Vor der Einführung des neuen Personalausweises brachte sich das Bundesinnenministerium in Stellung. Die PR-Agentur "Serviceplan Public Opinion" lieferte 2009 eine Vorlage, wie man dem Bundesbürger den neuen Ausweis schmackhaft machen könnte. Nun ist dieses Dokument (PDF, Transkription), dessen Erstellung 76.000 Euro kostete, im Rahmen einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz an die Öffentlichkeit gelangt. Am Anfang des Dokuments steht die Analyse. Dort klagen die Fachleute über "teilweise falsche Gerüchte oder Ahnungen über die elektronischen Funktionalitäten des neuen Ausweises." Weder eine EC-Kartenfunktionalität noch genetische Informationen seien Teil der Karte.

Die Autoren des Leitfadens zitieren kritische Blogposts, etwa von Kristian Köhntopp (Die wunderbare Welt von Isotopp) oder von Alvar Freude (Odem.blog), die den neuen Ausweis damals als Überwachungsinstrument darstellten und konstatieren, dass die Blogosphäre bei der Meinungsbildung in Deutschland weiter an Bedeutung gewinne. Ein "sachlicher Dialog mit dieser einflussreichen Multiplikatoren-Zielgruppe setzt daher ein wertschätzendes, konsequent sachliches und mediengerechtes Miteinander mit diesen Akteuren voraus", stellt der Bericht fest. Die Handlungsanweisung ist kurz und knapp: "1. Wir laden unsere rationalen Argumente emotional auf. 2. Wir vermeiden sprachliche Negativ-Assoziationen."

Eine Kommunikationskampagne sollte die Einführung des neuen Personalausweises unterstützen. 80 Prozent der prognostizierten 12 Millionen Nutzer im ersten Jahr sollten nach diesen Vorstellungen die eID-Funktion aktivieren und nutzen. Aktuell will noch nicht einmal ein Drittel der Bürger diese Funktion. Das Leistungsversprechen "Authentisierung jederzeit, online und offline" und das Qualitätsversprechen "Freiheit, Offenheit und Selbstbestimmung" sind offenbar nicht beim Rezipienten angekommen.

Auch über Krisenprävention machten sich die Autoren Gedanken. So nahm das Beispielszenario im Jahre 2009 "Von außen (z. B. Chaos Computer Club) werden dem neuen Ausweis Sicherheitslücken vorgeworfen" die Realität des Folgejahres vorweg. Als weitere mögliche Krisenherde tauchen gescheiterte Anwendungsszenarien, abspringende Partnerunternehmen oder überwundene Sicherheitsbarrieren auf. Bis hin zu einer "Krisenwebseite" sollten umfangreiche Vorbereitungen für den Fall der Fälle getroffen werden.

In einer "Kampagnendramaturgie" tauchen die CeBIT 2010 und die Einführung im November 2010 auf. Wichtig erschien den Autoren hier die Medienarbeit, die mit Redaktionsbesuchen vorangetrieben werden und in Kooperationen münden sollte. Scheinbar erfolgreich: "Ergänzend zur eigenständigen Presse- und Medienarbeit wird mit dem Axel-Springer-Verlag eine Medienkooperation vereinbart. Der 'Volksausweis' wird in allen Medien des Springerverlages (Online und Print) prominent beworben. Durch regelmäßige, begleitende Berichterstattung werden Funktionen erklärt, Vorteile vermittelt und Anwendungen vorgestellt", verkündet die PR-Agentur. Der Begriff "Volksausweis" schaffte es aber offensichtlich nicht in die Berichterstattung und der Springer-Verlag dementiert die Beteiligung an einer solchen Kampagne.

In Blogs, per E-Mail, in sozialen Netzwerken bei BarCamps und alternativen Events standen "Vermittlung von Expertenwissen im Dialog" und "Auffangen von falschen Botschaften" auf dem Programm. Auch der Heise-Verlag taucht als "zielgruppenspezifisches Medium" und damit lohnendes Kooperationsobjekt auf. Eine solche Vereinbarung schloss der Verlag jedoch niemals ab. (uma)