NSA-Affäre: EU-Abgeordnete grillen US-Internetkonzerne

In einer Anhörung des EU-Parlaments wollten sich Abgeordnete nicht mit den "sorgfältig ausgearbeiteten rechtlichen Erklärungen" von Facebook, Google und Microsoft zur Geheimdienstüberwachung zufrieden geben.

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Innenpolitiker des EU-Parlaments wollten sich bei einer Anhörung am Montag in Brüssel nicht mit den "sorgfältig ausgearbeiteten rechtlichen Erklärungen" von Facebook, Google und Microsoft zur Internetüberwachung durch die NSA zufrieden geben. Die Liberale Sophie in't Veld etwa fühlte sich durch die gleichlautenden Ansagen der Unternehmen, dass sie Sicherheitsbehörden keinen "direkten und uneingeschränkten Zugang" zu den eigenen Server gewährten, an eine Aussage von Ex-US-Präsident Bill Clinton zu seiner Affäre mit Monica Lewinsky erinnert. "Wir wollen die Wahrheit hören", betonte die Niederländerin.

Sie verstehe, dass die US-Regierung großen Druck auf die Firmen ausübe, konstatierte in't Veld. Die Internetunternehmen befänden sich in einer misslichen Lage, denn wenn sie US-Recht befolgten, brächen sie damit gegebenenfalls europäisches. Wer das Ausmaß der Spionage aber unter den Tisch zu kehren versuche, müsse sich nicht wundern, wenn das Vertrauen in Online-Dienste schwinde. Zudem hätten die Netzkonzerne mit ihren Bemühungen um mehr Transparenz rund um staatliche Überwachung und eine Reform Befugnisse dafür in den USA vergleichsweise spät angefangen.

Ob EU-Datenschutzbestimmungen bei Anfragen aus den USA beachtet würden, bohrte Jan Philipp Albrecht von den Grünen nach. Zugleich wollte er wissen, auf welchen gesetzlichen Rahmen die Firmen abstellten, gerade wenn es um einen Zugriff auf Daten in der Cloud gehe.

Christian Engström von den schwedischen Piraten gab zu bedenken, dass Konzerne wie Microsoft durch spezielle Privilegien für Verwaltungen, Quellcode einzusehen, den Verdacht nicht wegwischen können, dass Hintertüren in ihren Produkten eingebaut seien. Der gezeigte Code müsse nicht der gleiche sein wie der, der in einer kommerziell verfügbaren Software tatsächlich laufe. Der Liberale Nils Torvalds ergänzte, dass es Hunderte Fehler und Schwachstellen im Code großer Programme wie Windows gebe, über die sich Hintertüren öffnen ließen.

Microsoft schließe ständig technische Verwundbarkeiten, sagte die für Europa zuständige Justiziarin des Softwarekonzerns, Dorothee Belz. "Wir bauen keine Hintertüren ein, helfen nicht dabei, Verschlüsselung zu brechen." Microsoft gebe zudem keine Hinweise auf Sicherheitslücken heraus, bevor diese nicht geschlossen seien. "Im Zweifel für den Angeklagten", plädierte die Rechtsexpertin für Nachsicht vor dem Tribunal der aufgebrachten Abgeordneten. Sie verstehe die Frustration, aber die Abgesandten der US-Konzerne könnten keine Stellungnahmen abgeben, "die unsere Geschäftsführer ins Gefängnis bringen".

Es gebe einen Interessenkonflikt, die Rechtsgrundlagen dies- und jenseits des Atlantiks zu beachten, räumte Belz ein. Es werde dennoch versucht, "möglichst allen Bestimmungen zu folgen". Wenn die von Anfragen der Sicherheitsbehörden betroffenen Server in den USA stünden, halte man sich an die dortigen Regeln, wenn sie in Irland lagerten, an die europäischen. Vergrößert werde der Konflikt aber durch eine vom Innenausschuss wieder in den Entwurf für eine europäische Datenschutz-Grundverordnung eingefügte Klausel, wonach Internetkonzerne Daten nur auf Grundlage europäischen Rechts oder vergleichbarer Abkommen an Behörden in Drittstaaten wie die USA übermitteln dürften.

Zu PRISM wollte Belz nur bestätigen, dass die Redmonder von der Existenz dieses NSA-Überwachungsprogramms vor den Enthüllungen Edward Snowdens nicht gewusst hätten. Das Unternehmen überprüfe nun alle Sicherheitsvorkehrungen in den eigenen Produkten im Lichte der Anschuldigungen und bereite einen "Verschlüsselungsschutz "von Server zu Server vor. Dabei seien aber auch die "Auswirkungen auf ein offenes und freies Netz" im Auge zu behalten. Zahlungen von Behördenseite nehme Microsoft nur zur Kostenerstattung an, wenn es große Mühen mache, auf normalem Rechtsweg erfragte Daten zu suchen und zusammenzustellen.

Nicklas Lundblad, bei Google für Regierungsangelegenheiten zuständig, versicherte im Zusammenhang mit dem jüngsten Bericht über das Abgreifen von Cloud-Daten an Leitungen von Rechenzentren durch die NSA, dass "wir die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung voranbringen wollen". Google befinde sich in einem ständigen Wettrüsten mit Angreifern.

Massenabfragen personenbezogener Informationen wie bei Verizon habe es bei Facebook nie gegeben, erklärte Richard Allan, Leiter Politik bei dem sozialen Netzwerk in Europa. Er beteuerte gegenüber den Parlamentariern: "Wir sind auf derselben Seite, glauben an die Vernetzung und das offene Internet." Gemeinsames Ziel müsse es sein, das Vertrauen in Online-Dienste wiederherzustellen durch eine substanzielle Reform der US-Sicherheitsbehörden und eine strengere Überwachung der Überwacher. Die ständigen, oft falschen oder irreführenden Berichte über das Treiben der Geheimdienste seien "schmerzhaft für unsere Industrie". (anw)