Europarat: Deutliche Worte gegen Netz-Ausspähung und für "Freiheit des Internet"

Der Europarat soll das massenhafte Ausspionieren von Bürgern und den Einbau von Fehlern und Hintertüren in Sicherheitssysteme wegen möglichen Verstoßes die Menschenrechte unter die Lupe nehmen. Registrierung von Tor-Nutzern hält er für rechtswidrig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 24 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

In drei neuen Entschließungen verlangen die Mitgliedsländer des Europarates, dass die Straßburger Organisation ihre Anstrengungen zur Einhaltung der europäischen Datenschutzgarantien verstärkt. Die institutionell nicht mit der EU verbundene Organisation mit 47 Mitgliedsstaaten, die zum Beispiel die Cybercrime-KonventionL ausgearbeitet hat, soll "im Licht der Anforderungen der Europäischen Konvention für Menschenrechte" das massenhafte Ausspionieren von Bürgern und den gezielten Einbau von Fehlern und Hintertüren in Sicherheitssysteme unter die Lupe nehmen. Der britischen Regierung gefiel die letztgenannte Aufforderung gar nicht, sie distanzierte sich explizit davon.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Die beiden Entschließungen zur Freiheit des Internet, Schutz der Medien und deren Rolle im digitalen Zeitalter und zur Sicherheit von Journalisten wurde Ende vergangener Woche bei einem Treffen der für Medien und die Informationsgesellschaft verantwortlichen Minister der 47 Mitgliedsstaaten verabschiedet, wie der Europarat jetzt mitteilte.

Die Freiheit der Medien sei in verschiedenen Ländern der Staatengemeinschaft bedroht, anerkannten die Minister. Die Situation von Journalisten sei teilweise alarmierend, tätliche Übergriffe nähmen zu. Der Ministerrat soll daher rasch sowohl präventive Maßnahmen wie auch die Aufklärung von Übergriffen forcieren, heißt es in der Erklärung.

Auch die Massenüberwachung durch die Geheimdienste will der Rat nicht auf sich beruhen lassen. In der Entschließung zur Internetfreiheit schlagen die Minister eine Untersuchung der Vorgänge vor. Alle Mitgliedsstaaten – auch das Vereinigte Königreich – haben sich in einer ganzen Reihe früherer Erklärungen zur Wahrung der Privatsphäre im Netz verpflichtet.

In einer Erklärung zu Grundrechten in der Informationsgesellschaft, die 2005 bekräftigt wurde, werde die Gültigkeit des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention für die Kommunikation im Netz festgehalten. 2003 anerkannten die Minister ganz offiziell das Recht der Internetnutzer, ihre Identität zur Wahrung ihres Rechts auf Informations- und Meinungsfreiheit gerade nicht preiszugeben.

Forderungen wie die von Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes, zur Registrierung von Nutzern und Nodes des Anonymisierungsnetzwerk Tor, sieht Jan Malinkowski, Leiter der Abteilung Informationsgesellschaft beim Europarat, mit Skepsis. Etwaige Einschränkungen der Nutzung von Anonymisierungstools könnten sowohl dem Artikel 8 (Datenschutz) als auch dem Artikel 10 (Meinungsfreiheit) der Menschenrechtskonvention widersprechen, betonte Malinkowski.

Allerdings hänge eine Bewertung von der Ausgestaltung solcher Einschränkungen ab. Trotz der üblichen diplomatischen Vorsicht nannte der Europaratsexperte es "paradox, dass Tor einerseits als Mittel und Werkzeug für Journalisten, Dissidenten, und Menschenrechtsaktivisten geschätzt wird, man es andererseits aber behindern will". Tor-Traffic umzuleiten etwa halte er für nicht zielführend. Es böte letztlich autoritären Regimen eine willkommene Ausrede, das auch zu tun.

In welcher Form der Europarat zur Aufklärung der Geheimdienst-Umtriebe aktiv werden wird, das muss endgültig noch der Ministerrat beschließen, heißt es aus Straßburg. Neben der Untersuchung und Berichterstattung könnten auch Vorbereitungen von Empfehlungen stehen.

Gegenwind dürfen die Straßburger dabei dann wohl aus London erwarten. Weitergearbeitet werden soll laut der Entschließung zum freien Internet auch an einem Grundrechtskatalog für Internetnutzer. Das Problem mit dem Katalog – wie mit all den wohltönenden Erklärungen – bleibt dabei wohl, dass sich die Staaten immer so schwer daran erinnern. (jk)