Jüdische Friedensgruppe im Visier der Israel-Lobby in den USA

Liste der "zehn antisemitischsten Organisationen der USA" stößt auf Kritik

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Es erinnert ein bisschen an die politische Attacke des Simon-Wiesenthal-Zentrums gegen den deutschen Publizisten Jakob Augstein, was sich gerade in der jüdischen Gemeinde der USA abspielt. Es ist nur noch ein bisschen absurder: Die Anti-Defamation League (ADL), die größte pro-israelische Lobbyorganisation in den USA, hat – wie einst im Fall des Simon-Wiesenthal-Zentrums – eine "Zehn-Feindes-Liste" veröffentlicht. Offenbar eine beliebte Taktik. Ging es im ersten Fall noch um die vermeintlich bedeutendsten Verunglimpfungen Israels, hat die ADL vor wenigen Tagen die "TOP-Zehn der antiisraelischen Organisationen in den USA" gekürt. Darunter befinden sich auch zwei jüdische Organisationen. In der jüdischen Gemeinde der USA blieb das nicht ohne Widerspruch.

Vor allem die Klassifizierung der Friedensorganisation Jewish Voice für Peace (JVP) (sorgt für massive Kritik an der ADL. Die 1996 gegründete JVP setzt sich für eine politische Lösung des Nahost-Konflikts ein. Sie organisiert in den USA zudem Demonstrationen gegen die Besatzungs- und Siedlungspolitik der israelischen Regierung, die sie als Haupthindernis für die Beilegung des Nahost-Konfliktes erachtet.

Und nun soll dieses Engagement antiisraelisch sein? Der Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten. "Wenn ihre Freundin Alkoholikerin ist, ist es dann 'anti-freundschaftlich', mit ihr ein ernstes Wort zu reden und sie dazu zu drängen, mit dem Trinken aufzuhören?", schreibt der – das muss man wohl dazu sagen – jüdische US-Amerikaner Jay Michaelson im Online-Magazin Daily Beast. Die ADL, so Michaelson, leiste eine hervorragende Arbeit bei der Bekämpfung von Fanatismus, Rassismus und Homophobie: "Aber wenn (der ADL-Vorsitzende) Abraham Foxmann über Israel spricht, ist aller Respekt dahin."

Oren Segal, der Vorsitzende der "Extremismus-Abteilung" der ADL ruderte inzwischen wieder zurück. Er fühle sich zwar nicht recht wohl, die JVP als antisemitische Gruppe zu bezeichnen, sagte er dem Online-Portal Salon.com. Dennoch hält er an der Entscheidung fest.

Die ADL hat drei Kriterien für ihre Liste. Nominiert werden kann, wer behauptet, Israel kontrolliere Regierungen und Medien, wer "beleidigende Parallelen zum Holocaust zieht" und wer Israel als jüdischen Staat angreift. Sydney Levy von der JVP lässt das kalt. Man könne ja nicht leugnen, dass Israel die US-Außenpolitik massiv beeinflusst. Zweitens dürfe die ADL nicht davon ausgehen, dass nur sie und die (israelische) Regierung über den Holocaust sprechen dürfen. Und drittens müsse die Lobbyorganisation akzeptieren, dass nicht alle Juden damit einverstanden sind, dass Israel rechtlich als jüdischer Staat definiert wird. Im Übrigen glaubten 48 Prozent der jüdischen US-Amerikaner nach einer jüngsten Umfrage, dass der israelische Staat kein ernsthaftes Interesse an einem Friedensabkommen mit den Palästinensern hat. Die ADL vertrete demnach nicht die Mehrheit der jüdischen Gemeinde.