Filesharing: Alle auf den Rücksitz!

Amtsgerichte München und Hamburg lehnen Sippenhaft für Filesharer ab

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Zu den Schulbeispielen in der juristischen Ausbildung gehört der Trick mit dem Rücksitz: Ein Polizist verfolgt ein Auto wegen eines Verkehrsdelikts. Als er es nach einer Kurve an einem Parkplatz schließlich einholt, sitzen alle drei Insassen mit Unschuldsmiene auf der Rückbank und wissen nicht, wer gefahren sei. Da keinem der Verdächtigen die Täterschaft bewiesen werden kann, scheidet eine Verurteilung aus.

Eine ähnliche Konstellation bietet sich einem Filesharing-Abmahner dann, wenn er einen Anschlussinhaber abmahnt, in dessen Haushalt bzw. WLAN-Bereich noch weitere Personen Zugriff auf das Netz haben. Wer wem jetzt wie was beweisen muss und inwiefern man für Taten Dritter haftet, ist noch immer nicht vom Gesetzgeber reguliert. Grundsätzlich spricht eine Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers, es sei denn, dass er eine solche erschüttern kann, etwa mit dem plausiblen Vortrag einer alternativen Erklärung. Nunmehr hat die Kanzlei Wilde/Beuger/Solmecke zwei neue Urteile erstritten, die der Abmahnindustrie für die Darlegungs- und Beweislast gewichtige Steine in den Weg legen.

So wies das Amtsgericht Hamburg die Klage gegen einen Anschlussinhaber und dessen im gleichen Haushalt lebende Ehefrau ab. Da dem Anschlussinhaber nicht bewiesen werden konnte, dass nicht die Ehepartnerin gehandelt hatte und auch sonst keine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen ihn sprach, war er aus dem Schneider. Der Abmahner hatte die Klage gesamtschuldnerisch auf die Ehefrau ausgeweitet, gleichzeitig aber die Täterschaft der Frau bestritten, was schon widersprüchliches Prozessverhalten darstellt. Auch für die Täterschaft der Ehefrau sprach nicht mehr als beim Anschlussinhaber. Eine Verantwortung für die Ehepartnerin (Störerhaftung) lehnte das Gericht ab. Weder sei ein adäquat kausaler Beitrag zu erkennen, noch bestünden im Verhältnis zwischen Ehegatten untereinander anlasslose Prüfpflichten ( Amtsgericht Hamburg 31 C 20-13).

Ähnlich sah es auch das Amtsgericht München bei einer Klage gegen einen Anschlussinhaber, dessen Netz auch seiner Lebensgefährtin und dem 17jährigen Sohn zur Verfügung stand. Auch hier erwarteten die Richter vom Abmahner vollen Beweis dafür, dass der Anschlussinhaber selber gehandelt hätte. Eine Pflicht zur anlasslosen Belehrung und/oder Kontrolle seiner Lebensgefährtin sahen die Münchener Richter ebenfalls nicht. Diese Sicht zur Darlegungs- und Beweislast in Filesharing-Verfahren ist in München, einer Filsharing-Abmahnhochburg, eher neu. Auch hier wiesen die Richter die Klage ab ( Amtsgericht München 155 C 9298-13), allerdings ist mit einer Berufung zu rechnen.