In Spanien werden nun auch Tote zwangsgeräumt

In Granada sollen auf dem Friedhof 600 Grabnischen geräumt werden, weil die Angehörigen die Gebühren nicht bezahlen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Zuerst wurden im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise in Spanien hunderttausende Familien aus ihren Wohnungen geräumt, weil sie Miete oder Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten. Mit Verzögerung beginnen nun Zwangsräumungen auf Friedhöfen, weil viele mangels Einkünften auch die Gebühren für Gräber oder Grabnischen nicht mehr bezahlen können, in denen in Spanien die Toten meist bestattet werden.

Ein besonders krasser Fall ist Granada. Seit einigen Tagen prangt an fast 600 Grabnischen, die sich zum Teil neunstöckig übereinander stapeln, ein rotes Schild: "Hinweis auf baldige Exhumierung" ist darauf zu lesen.

Allerseelen wurde noch abgewartet, doch nun droht 600 Grabnischen in der andalusischen Stadt innerhalb von zwei Wochen die Zwangsräumung. Das hat die Firma Emucesa angekündigt, die nun den Friedhof betreibt. Damit macht sie Druck auf die Angehörigen, die Gebühren in einer Region zu bezahlen, die mit knapp 40 Prozent Arbeitslosigkeit zu denen gehört, die besonders stark von der schweren Krise betroffen ist. Der Geschäftsführer von Emucesa, José Antonio Muñoz, meint, die Jahresgebühr von "15 oder 16 Euro" sei schon aufzubringen.

Maite Molina, die Stadträtin der Vereinten Linken (IU), sieht hingegen einen klaren Zusammenhang zwischen der erst kürzlich durchgeführten Teilprivatisierung des Friedhofs durch die konservative Volkspartei (PP), die wie Spanien auch Granada regiert. Das habe einen "schlechten Beigeschmack" meint Molina. Sie fordert "Zurückhaltung" von Emucesa und der Stadt und verweist darauf, dass die Gebühren schon 2005 beschlossen wurden, aber bisher nie eingefordert worden seien. "Seither hat man von den Familien absolut nichts gefordert und nun gibt man ihnen eine so kurze Frist, um das Problem zu lösen", empört sie sich. Wird das Geld nicht in den nächsten zwei Wochen bezahlt, sollen die Grabnischen geräumt und die Reste in einem Massengrab verscharrt werden. Vor allem will die Stadträtin wissen, ob die Angehörigen überhaupt informiert wurden oder schlicht der Hinweis auf den Gräbern angebracht worden sei.

Emucesa weist die Vorwürfe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Teilprivatisierung vor genau einem Monat und den Forderungen gibt. "Das hat damit gar nichts zu tun", erklärt Molina. Er räumt aber ein, dass es bisher keinerlei Exhumierungen gab, obwohl jahrelang keine Gebühren bezahlt wurden. "Man hätte das jedes Jahr anordnen können", sagt er, aber geschehen ist das seit 2005 nicht. Dass Familien die Gebühren nachzahlen können, die keinerlei Einkünfte haben, ist zweifelhaft. In Spanien gibt es keine Sozialhilfe und mehr als zwei Millionen Arbeitslose erhalten längst keinerlei Unterstützung mehr.

Die Privatisierung des Friedhofs war ohnehin sehr umstritten, denn er war trotz säumiger Zahler stets eine Einnahmequelle für die Stadt. Zuletzt nahm sie 2012 darüber 300.000 Euro ein. Deshalb warfen die oppositionellen Sozialisten dem PP-Bürgermeister José Torres Hurtado vor, dass in den nächsten 50 Jahren Einnahmen in Höhe von 43 Millionen Euro ausblieben. Denn für eine Zahlung von sieben Millionen wird Emucesa nun den Friedhof in dieser Zeit betreiben und offensichtlich die Einnahmen deutlich erhöhen. Der spanische Fernsehsender Antena 3 beziffert die Zahl säumiger Zahler sogar auf 10.000. Damit wäre ein Sechstel der 58.000 Grabstätten von Räumung bedroht.

Eine Ausnahme ist Granada nicht. Auch in anderen Städten wie Murcia an der Mittelmeerküste stehen massenhafte Zwangsräumungen von Grabstätten an. Gustavo Díaz, der Betreiber des Südfriedhofs der Stadt, erklärt: "60 Prozent sind säumige Zahler." Er hofft, dass die Angehörigen ihre Schulden bis zum Jahresende begleichen, um die Räumung der Grabstätten zum Jahresbeginn zu vermeiden.