Verschärfte Säuberung 2.0 im spanischen Rundfunk

Weil der Rauswurf von 1.200 kritischen Journalisten gerichtlich gekippt wurde, wollen die Konservativen in Valencia nun ihren öffentlich-rechtlichen Sender schließen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Stürmung des besetzten griechischen Staatsrundfunks ERT gestern durch die Polizei, könnte sich bald im spanischen Rundfunk wiederholen. Denn angesichts der angekündigten Schließung haben nun auch die Journalisten des Regionalsenders RTVV die Sendungen in die eigenen Hände genommen. Nachdem der Oberste Gerichtshof in Valencia die Kündigungen von knapp 1.200 Beschäftigten am Dienstag rückgängig machte, die real wie in anderen Regionen eine Säuberung war, will nämlich die konservative Regionalregierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abwickeln und alle 1.700 Beschäftigten entlassen. "Die Schließung ist nicht verhandelbar", http://ccaa.elpais.com/ccaa/2013/11/06/valencia/1383726175_840469.html erklärte] Alberto Fabra am Mittwoch.

Die Freude der Journalisten über ihren Sieg, die mehr als ein Jahr um ihre Arbeitsplätze bei "Canal Nou" (Kanal Neun) gekämpft hatten, schlug in Entsetzen um. Das Gericht hatte geurteilt, fundamentale Rechte seien verletzt worden. Es wurde zum Beispiel keine Sozialauswahl durchgeführt und es wurden alle gefeuert, die kritisch aufgefallen waren. Die Empörung über die konservative Volkspartei (PP) führte aber dazu, dass die Journalisten die Sendestruktur umwarfen. In Sondersendungen wird zum Protest aufgerufen und in RTVV das veröffentlicht, was bisher verschwiegen wurde. Und plötzlich hat sich die Einschaltquote verdreifacht, die in den letzten Jahren von 20 auf vier Prozent zurückgegangen war, womit Werbeeinahmen einbrachen.

"Die Lügen in Canal Nou waren so extrem, dass man sich geschämt hat", erklärte die Journalistin Iolanda Marmol über Twitter. So durften PP-Politiker und deren Projekte nur positiv dargestellt werden. Als sie über die Einweihung des Erlebnisparks Terra Mítica berichtete und "dort niemand auftauchte", wurde ihr Kommentar zensiert. Statt eines "völligen Reinfalls" wurde ein "schwacher Erfolg" daraus. Dass Fabras Vorgänger Francisco Camps im Rahmen eines der großen PP-Korruptionsskandale zurücktreten musste, durfte genauso wenig berichtet werden wie über die Tatsache, dass das Terra Mítica mit 1,2 Milliarden Euro gut drei Mal so teuer wurde, als eigentlich geplant war.

Da inzwischen der ehemalige PP-Schatzmeister ausgepackt hat, ist einigermaßen durchsichtig, warum die Kosten in vielen Projekten derart explodieren konnten, denn über Umwege floss ein Teil davon wieder als illegale Spenden in die Kassen der PP und als Zusatzlöhne an die Parteiführer weiter.

"Die Wiedereinstellung der entlassenen Mitarbeiter würde 40 Millionen Euro kosten, und das Geld haben wir nicht", begründete der Regierungschef den Schritt. Man werde für RTVV keine Schulen und Krankenhäuser schließen, sagte Fabra als Führer einer Partei, deren Einschnitte im Bildungs- und Gesundheitssystem extrem sind. "Demagogie ohne Grenzen" nennt das der Professor für Ökonomie Antonio Miguel Carmona. Denn wie die Opposition und Mehrzahl der Journalisten wirft er der massive PP Misswirtschaft vor, mit der der einzige Sender in der Regionalsprache ruiniert worden sei.

Als die PP in Valencia 1995 die Regierung übernahm, hatte der Sender minimale Schulden in Höhe von 22 Millionen Euro, die seither auf 1,1 Milliarden Euro explodiert sind. Das ist symptomatisch für deren Politik in der Pleiteregion. Denn die Zahl der Beschäftigten bei Canal Nou hatte sich mehr als verdreifacht. Per Fingerzeig, ohne das übliche Auswahlverfahren, seien Parteigänger eingestellt und kritische Journalisten kaltgestellt worden. Eine "Parallelredaktion" sei als "Propagandabüro" der Regierung aufgebaut worden, meint der Betriebsrat. 2009 hatte sogar der Ombudsmann der Region der Sendungsleitung gefordert, "Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien der Objektivität, Wahrheitstreue, Unparteilichkeit und dem Respekt vor der politischen Pluralität gerecht zu werden".

Das Schicksal, das RTVV treffen soll, könnte bald auch Telemadrid treffen. Die Lage im Madrider Regionalsender ist sehr ähnlich. Der PP-Regierungschef Ignacio González fürchtet, dass Richter die Entlassung von fast 900 der knapp 1.200 Beschäftigten kippen. "Mir bleibt keine andere Wahl als die Schließung", sagte er, wenn sich die Gewerkschaften durchsetzen.