Die Robohand

Liam mussten noch im Mutterleib die Finger der rechten Hand amputiert werden. Zwei Fremde, zwei 3D-Drucker und das Internet haben ihm zu einer neuen Hand verholfen.

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Von
  • Peter Glaser

Liam mussten noch im Mutterleib die Finger der rechten Hand amputiert werden. Zwei Fremde, zwei 3D-Drucker und das Internet haben ihm zu einer neuen Hand verholfen.

Im Dezember 2011 entdeckte der Südafrikaner Richard Van As, der bei einem Arbeitsunfall die Finger seiner rechten Hand verloren hat, auf YouTube eine mechanische Klaue, die der amerikanische Bastler Ivan Owen zum Spaß zusammengeschraubt hatte. Er nahm Kontakt mit Owen auf und die beiden begannen Ideen für eine nutzbare Hand auszutauschen, mit Fingern, die greifen können. Was die Zusammenarbeit über 10.000 Kilometer hinweg wesentlich vereinfachte, waren die zwei 3D-Drucker, die ihnen die New Yorker Firma MakerBot nach einem Spendenaufruf zur Verfügung stellte. Nun konnten sie sich konstruierte Teile einfach als 3D-Dateien schicken, die sich in einer solchen Maschine - Schicht für Schicht in Kunststoff ausgeformt - wieder in greifbare Objekte verwandeln lassen.

Im November 2012 flog Owen nach Johannesburg, um gemeinsam mit Van As den Prototypen der „Robohand“ zusammenzubauen. Das erste Exemplar wurde für den heute fünfjährigen Liam Dippenaar angefertigt, der gleichfalls in Johannesburg lebt und der bereits im Mutterleib an einem seltenen Syndrom namens ABS erkrankt war, weshalb ihm die Finger der rechten Hand amputiert werden mussten. Mit der Robohand kann Liam jetzt endlich auch Malbücher ausmalen und Bälle fangen. Die Prothese lässt sich im 3D-Druck zu einem Selbstkostenpreis von 150 Dollar herstellen. Und da Owen und Van As glauben, dass damit auch anderen Menschen mit einem ähnlichen Handicap geholfen werden kann, sind die Konstruktionsunterlagen Open Source. Sie stehen auf Thingiverse, einer Community für dreidimensionales Design, zur freien Verfügung.

Auf solchen Internet-3D-Marktplätzen findet sich von Kunstwerken über Alltagsgegenstände und Ersatzteile bis hin zu komplexen Abendkleidern aus filigranen Plastikmodulen eine zunehmend breite Palette von Produkten für die und aus der „Fabrik zu Hause“. Evangelisten der zugehörigen Maker-Bewegung, wie der ehemalige „Wired“-Chefredakteur Chris Anderson, sehen in den neuen Möglichkeiten eine folgenreiche Demokratisierung der Industrieproduktion. In seinem Buch „Makers - Das Internet der Dinge“ beschreibt Anderson eine Welt, in der Waren unabhängig von Konzernen erzeugt werden, so wie Texte heute in Blogs oder sozialen Netzen unabhängig von Verlagen publiziert werden können. Die Masse erobert sich die Produktionsmittel zurück. Designer können ihre Produkte selbst vermarkten.

Die Bastelarbeiten an der Welt werden im Kleinen wie im Großen vorangetrieben. Wissenschaftlern an der Universität Wien ist es gelungen, ein detailliertes 3D-Modell des Stephansdoms in einer Dimension auszuführen, die der Dicke eines Haars entspricht. Am oberen Ende der Skala warten bewohnbare Gebäude darauf, in Zukunft statt von Bauarbeitern errichtet schlicht geprintet zu werden. Bei der NASA, die aus Kostengründen bereits Triebwerksteile für ihre neue Trägerrakete SLS im 3D-Druck herstellt, gibt es Konzepte für eine Mondstation, die in einem automatisierten Schichtverfahren aus geschmolzenem Mondstaub errichtet werden soll.

Und während auf der Basis von Computertomografien maßgefertigte künstliche Gelenke bereits Normalität sind, ist die nächste Bastelaufgabe, die sich Wissenschaftler gestellt haben, ungleich anspruchsvoller: aus vorhandenen Zellen neue Organe zu drucken. Bescheidene erste Versuche dazu sind bereits gelungen. Vielleicht kann sogar jemandem wie Liam später einmal statt mit Nachbildungen mit richtigen Fingern ausgeholfen werden.

(jlu)