Schnipp-Schnapp im Genom

Ein US-Start-up entwickelt eine hochpräzise Gentherapie, die auch gegen unheilbare Krankheiten helfen soll. Das Verfahren kann sogar einzelne Basenpaare im Genom austauschen.

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Von
  • Susan Young

Ein US-Start-up entwickelt eine hochpräzise Gentherapie, die auch gegen unheilbare Krankheiten helfen soll. Das Verfahren kann sogar einzelne Basenpaare im Genom austauschen.

Seit über vierzig Jahren ist die Gentherapie eine der großen Visionen der Medizin. Nach Rückschlägen in den 1990ern gab es in den letzten Jahren wieder Fortschritte, unter anderem mit der Zulassung der Glybera-Gentherapie 2012. Das Start-up Editas Medicine will nun mit dem so genannten Genome Editing die Technologie zu maximaler Präzision bringen – und damit auch bislang unheilbare Krankheiten therapieren. Die Firma hat bereits 43 Millionen Dollar an Wagniskapital bekommen.

Die Methode ist inspiriert von ganz neuen Erkenntnissen darüber, wie sich Mikroben mit Hilfe von Proteinen und RNA-Molekülen gegen eindringende Viren verteidigen. Genetiker haben sich diese CRISPR/Cas genannte Methode abgeschaut, um im menschlichen Genom DNA-Abschnitte, aber auch einzelne Basenpaare zu verändern. „Solche bahnbrechenden Ideen gibt es in der Wissenschaft nur selten“, sagt Douglas Cole von Flagship Ventures, einem von drei Investoren bei Editas Medicine.

Das CRISPR/Cas-Verfahren arbeitet mit RNA-Molekülen. Das sind kurze Stränge, die aus denselben Basen, also genetischen Buchstaben, wie die DNA aufgebaut sind. Im Unterschied zu dieser bestehen sie nicht aus einem doppelten, sondern aus einem einzelnen Basenstrang. RNA dient in Zellen dazu, die Information aus dem Genom auszulesen oder chemische Vorgänge am Genom zu steuern. In dem neuen Verfahren transportiert eine RNA als Fähre das Cas-Protein an eine bestimmte Stelle des Genoms. Das Protein zerschneidet dort den DNA-Strang und ersetzt die Folge der genetischen Buchstaben, die eine Krankheit auslöst, durch eine harmlose.

Weil mit CRISPR/Cas auch einzelne Basenpaare ausgetauscht werden können, eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten für die Gentherapie, sagt der Harvard-Genetiker George Church, einer der Gründer von Editas Medicine. Viele Erbkrankheiten, darunter Zystische Fibrose und Sichelzellanämie, beruhen auf einem einzigen falschen Basenpaar. Diese Mutationen ließen sich mit CRISPR/Cas beheben.

Diese Präzision erreichen bisherige Gentherapie-Verfahren nicht. Sie können nur ganze Gene ersetzen. Zudem werden die gesunden Genvarianten nicht immer direkt ins Genom eingebaut, sondern bleiben eine separate Einheit in der Zelle – was zur Folge hat, dass das Krankheitsgen nicht entfernt wird. Solange dieses nichtfunktionale Gen keine Proteine hervorbringt, die den Körper schädigen, ist das unproblematisch. Es kommt jedoch vor, dass ein Krankheitsgen toxische Mengen eines Proteins erzeugt. Das ist etwa bei der Huntington-Krankheit der Fall. Hier hilft dann eine Gentherapie nur, wenn das betreffende Gen wirklich beseitigt wird. Gerade solche Krankheiten könnte CRISPR/Cas angehen, sagt Church, während herkömmliche Gentherapien hier wirkungslos blieben.

„Die Editas-Technologie erlaubt einige Dinge, die kein anderes Verfahren kann“, freut sich Alexis Borisy vom Investor Third Rock Ventures, der bei Editas zugleich Geschäftsführer ist. Ein anderer Vorteil von CRISPR/Cas ist, dass das ausgetauschte Gen auch sicher an derselben Position wie das kranke Gen bleibt. Damit bleibe das „natürliche Steuerprogramm“ der Zelle intakt, betont Borisy.

Das bedeutet nicht, dass das Editas-Verfahren schon einsatzbereit wäre. Zwei Probleme müssen noch gelöst werden. Zum einen könnte es passieren, dass die RNA-Fähre mit dem Cas-Protein an einem Stelle im Genom andockt, deren Basenpaare dem Zielgen sehr ähnlich sind. Dann würde das Cas-Protein das Genom an der falschen Stelle durchtrennen. Zum anderen ist noch nicht klar, welche Methode die beste ist, um die RNA-Fähre in die Zellen zu bringen. Bisherige Gentherapien arbeiten mit verschiedenen „Vektoren“ wie Viren, um das neue Genmaterial in Zellen einzuschleusen.

Welche Krankheiten Editas Medicine als erstes in Angriff nehmen will, wollen die Gründer noch nicht sagen. Sicher sei nur, dass sich die Firma auf nicht therapierbare schwere Erkrankungen konzentrieren werde. (nbo)