Schäuble kritisiert Bundesverfassungsgericht

Die Verfassungsrichter griffen zu sehr in die Gesetzgebung ein, sagte der Bundesinnenminister laut einem Zeitungsbericht. Dabei bezog er sich auf die einstweilige Anordnung zur Vorratsdatenspeicherung.

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble meint, das Bundesverfassungsgericht greife zu sehr in die Gesetzgebung ein. Als Beispiel nennt er laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) die einstweilige Anordnung des Gerichts zur Vorratsdatenspeicherung. In einem von der FAZ veröffentlichten Streitgespräch mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer sagte Schäuble, wer Gesetze gestalten wolle, solle sich bemühen, Mitglied des Deutschen Bundestags zu werden. Den "einmaligen Kompetenzen" des Bundesverfassungsgerichts entspreche "ein hohes Maß an Zurückhaltung mit öffentlichen Äußerungen".

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2008 die seit 1. Januar 2008 geltenden Auflagen zur Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten nach einem Eilantrag von über 30.000 Beschwerdeführern eingeschränkt. Im September 2008 verlängerte das Gericht die Geltungsfrist der von ihr gesetzten Schranken um sechs Monate. Schäuble sagte nun, er habe "Zweifel, ob das Verfassungsgericht wirklich entscheiden sollte, für welche Straftaten man welches Instrument gesetzlich vorsehen kann oder nicht". Hassemer äußerte sich dazu nicht.

Schäuble erwähnt in dem Streitgespräch auch das so genannte Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983. Die seinerzeit ergangene einstweilige Anordnung, aufgrund der die Volkszählung erst 1987 in einer überarbeiteten Form durchgeführt werden konnte, nennt Schäuble eine der "weniger ruhmreichen Taten". Heute könne niemand mehr die öffentliche Erregung, die damals große Teile des Landes ergriffen habe, nachvollziehen. Das Gericht habe sich sogar auf die Erregung bezogen und als einen Grund für ihre Anordnung genommen. Er habe das "verfassungsrechtlich ein wenig problematisch" gefunden, sagte Schäuble laut dem Bericht.

Der Bundestagsabgeordnete und FDP-Innenpolitiker Max Stadler sieht Schäubles Kritik als "völlig verfehlt" an. In einer Mitteilung schreibt er, das Bundesverfassungsgericht sei "geradezu verpflichtet einzugreifen, wenn der Gesetzgeber die Grenzen der Verfassung nicht einhält". In den vergangenen Jahren habe das Gericht gerade im Bereich der inneren Sicherheit korrigieren müssen, da Gesetze nicht grundrechtskonform gewesen seien. Die FDP habe bei "Fehlentscheidungen des Bundestags" wie beim Luftsicherheitsgesetz und bei der Vorratsdatenspeicherung rechtzeitig und immer wieder auf die Verfassungswidrigkeit hingewiesen. "Deshalb sollte sich die große Koalition an die eigene Brust klopfen", schreibt Stadler. (anw)