Schweizer Justizarbeitsgruppe will Urheberrecht verschärfen

Die Vorschläge der vom Justizministerium eingesetzten Arbeitsgruppe reichen von besserer Information der Verbraucher bis hin zu Warnhinweisen für Verbraucher bei vorgeblichen Urheberrechtsverletzungen im Internet.

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Von
  • Tom Sperlich
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In der Schweiz hat die vom Justizministerium eingesetzte Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12) ihren Schlussbericht veröffentlicht. Ihre Vorschläge reichen von besserer Information der Verbraucher, über den Ausbau und die Steigerung der Attraktivität legaler Angebote, bis dahin zur die Bekämpfung der Piraterie zu vereinfachen. Auf eine "alle Nutzungen im Internet abdeckende Kulturflatrate ist zu verzichten", heißt es hingegen im AGUR12-Bericht. Ende November waren einige seiner Ergebnisse bereits bekannt geworden. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern von Kulturschaffenden, Produzenten, Nutzern und Verbrauchern und wird von der Verwaltung beraten.

Auf eine Anzeige der Rechteinhaber oder einer zuständigen Behörde hin sollen urheberrechtsverletzende Inhalte von den Hosting Providern selbst vom Netz genommen werden ("take down"). Diese von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Selbstregulierung wird von verschiedenen Seiten kritisiert, da somit "faktisch eine Zensurinfrastruktur ohne gerichtliche Prüfung mit den Hosting Providern als Hilfspolizisten aufgebaut werden würde", wie es etwa die Neue Zürcher Zeitung formuliert.

Es müssten außerdem die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, dass Dienstleister, "die Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden zu ihrem Geschäftsmodell machen", das erneute Hochladen der illegalen Inhalte ("im Rahmen des Zumutbaren") zu verhindern haben ("stay down"). Dazu gehöre auch, Link-Ressourcen umfassend zu kontrollieren, und die Pflicht, über allgemeine Suchpraktiken und –werkzeuge zu ermitteln, ob sich Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links auf dem Angebot der Hosting Provider befinden. Die Internet Service Provider (ISP) wiederum sollen dann "in schwerwiegenden Fällen" den Zugang zu Portalen oder Streaming-Sites mit "offensichtlich illegalen Quellen" über IP/DNS-Blocking sperren.

Nach den Vorstellungen der AGUR12 soll künftig aber auch der Verbraucher stärker verantwortlich gemacht werden. Zum einen sollen ISPs auf Verlangen des Rechteinhabers oder der Behörden einen Warnhinweis auf eine vorgebliche Urheberrechtsverletzung in den Web-Browser des Nutzers einblenden.

Zwar kennt das Schweizer Recht keine illegalen Downloads, doch empfiehlt AGUR12 in besonders schweren Fällen von Urheberrechtsverletzungen und nach wiederholter Nichtbeachtung eines Warnhinweises, dass Nutzer von Filesharing- oder P2P-Netzwerken verpflichtet werden, sich vor dem "Weitergebrauch ihres Anschlusses in angemessener Weise zu schützen". Damit ein Verstoß gegen die urheberrechtlichen Vorstellungen von AGUR12 überhaupt fest- und die Warnhinweise zugestellt werden können, müsse aber ein Anschluss überwacht werden, kritisieren Urheberrechts-Spezialisten.

Wer dennoch "in großem Ausmaß rechtswidrig in Tauschbörsen Inhalte anbietet", solle zivilrechtlich belangt "und / oder strafrechtlich verfolgt werden können, wofür eine Identifikation unverzichtbar ist". Zu diesem Zwecke solle der ISP auf behördliche Anordnung hin die Identität des P2P-Nutzers dem Rechteinhaber bekannt geben. Die Provider würden für ihren Aufwand entschädigt und sollen von jeglicher Haftung ausgenommen werden.

Die gängige rechtliche Praxis sieht bislang ausdrücklich vor, dass Anschlussinhaber ausschließlich durch Strafverfolgungsbehörden bei einem Tatverdacht identifiziert werden. Die AGUR12 schlägt deshalb vor, "die dafür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen (...) namentlich für die Durchbrechung des Fernmeldegeheimnisses im privatrechtlichen Bereich und die dafür notwendige Aufbewahrung und Aufbewahrungsdauer von IP-Adressen zur Identifizierung des Anschlussinhabers".

Rechteinhaber sollen außerdem für die Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen weiterhin Internetverbindungsdaten sammeln dürfen, soweit sie sich dabei an die Vorgaben des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) halten.

Noch ist ungeklärt, wohin es mit den Empfehlungen von AGUR12 führt. Laut Medienberichten wird der Auftraggeber, das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), den Bericht analysieren und dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Der Schlussbericht werde auch eine Grundlage dafür bilden, parlamentarische Vorstöße zum Thema Urheberrecht zu beantworten. Änderungen am Urheberrecht auf Gesetzesebene müssten schließlich ohnehin im Parlament behandelt werden. (anw)