Streit um Offshore-Windkraft

Offshore-Windkraft galt bisher als eine zentrale Säule der Energiewende. Zu Unrecht, meint Matthias Willenbacher, Gründer des Projektentwicklers Juwi.

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Die große Koalition hat bei der Windkraft die Weichen umgelegt: Für den Offshore-Bereich hat sie das sogenannte „Stauchungsmodell“ um zwei Jahre bis 2019 verlängert. Das bedeutet, dass Betreiber von Windkraftanlagen in den ersten Jahren einen höheren Erlös bekommen, der danach aber stärker abfällt. So amortisieren sich ihre Investitionen schneller. Bei der Windkraft an Land hingegen stehen Kürzungen an: Nur noch Anlagen an besonders windreichen Standorten sollen gefördert werden. In Bayern und Baden-Württemberg, wo besonders viele Großverbraucher sitzen, könnte diese Regelung den weiteren Ausbau der Windkraft stoppen.

Für Matthias Willenbacher, Mitgründer und Vorstand des Projektentwicklers Juwi, ist das ein Schritt in die genau falsche Richtung. In der aktuellen Ausgabe 1/2014 des Magazins Technology Review (am Kiosk oder online zu bestellen) argumentiert er, dass die Energiewende mit Windkraft an Land sehr viel einfacher zu schaffen sei. Dabei widerspricht er der Ansicht, Windkraftanlagen auf See würden prinzipiell mehr Volllaststunden liefern, weil dort der Wind gleichmäßiger weht. „Man kann auch an Land mehr Volllaststunden generieren“, so Willenbacher. „Dafür muss der Rotor relativ groß oder der Generator relativ klein gewählt werden. Dadurch verliere ich in sehr windigen Zeiten natürlich Energie. Aber dafür erreiche ich genau dieselbe Stetigkeit wie Offshore.“

Zudem ließen sich solche Anlagen nahe an den Verbrauchern in Süddeutschland errichten. Dort sei der Windertrag zwar nicht so hoch wie an der Küste, aber dafür ersparten sie Kosten für den Netzausbau. Willenbacher: „Sehr große Anlagen mit 160 bis 170 Metern Nabenhöhe und 140 Metern Rotordurchmesser erreichen sogar an windarmen Standorten 4000 Volllaststunden. Wenn die 25.000 Windräder, die wir heute schon in Deutschland haben, je 4000 Volllaststunden liefern, können sie sechzig Prozent unseres Strombedarfs decken.“ Offshore-Windkraft sei deshalb überflüssig und zu teuer.

Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie, widerspricht Willenbacher. „Bei Offshore werden wir in den nächsten Jahren erhebliche Kostensenkungen sehen, so wie bei jeder neuen Technologie, die noch nicht ausgereizt ist. Vor zehn Jahren bekam die Photovoltaik noch 50 Cent Einspeisevergütung pro Kilowattstunde. Die Offshore-Windenergie hat heute schon Stromgestehungskosten um die zwölf Cent“, so Wagner. „Das ist im Vergleich zu Windkraftanlagen an sehr guten Küstenstandorten vielleicht noch das Doppelte, aber im Vergleich zu Binnenlandstandorten gar kein so großer Unterschied. In den nächsten zehn Jahren werden die Kosten noch einmal um 30 bis 40 Prozent sinken, sodass wir deutlich unter zehn Cent landen werden, wenn der Ausbau sich kontinuierlich weiterentwickelt. So ist die Onshore-Windenergie vor 20 Jahren auch gestartet.“ Ohne Offshore-Windkraft, sagt Wagner, werde die Energiewende nicht zu schaffen sein, weil Onshore-Windenergie 2050 maximal fünfzig Prozent der Stromversorgung bereitstellen könne. Bei der Onshore-Windkraft sehe er zwar auch weitere Potenziale, aber nicht in der Größenordnung wie Willenbacher. (grh)