Familienministerin fordert Notrufmöglichkeit fürs Internet

Als Reaktion auf den Amoklauf in Winnenden hat Ministerin von der Leyen für Anlaufstellen in Chat-Rooms sowie andere Angebote im Stil eines "110 im Netz" und eine bessere Umsetzung bestehender Verbote plädiert.

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Als Reaktion auf den Amoklauf in Winnenden hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen für die Einrichtung von Anlaufstellen in Chat-Rooms und anderen Online-Angeboten für Nutzer plädiert. Die blutige Tat sei zwar dem Stand der Ermittlungen nach nicht im Internet angekündigt worden, sagte die CDU-Politikerin bei einer aktuellen Stunde im Bundestag unter dem Titel "Kinder, Jugendliche, Familien stärken" am heutigen Mittwoch. "Aber oft gibt es Vorboten in Chat-Rooms." Gleichaltrige könnten diese am besten wahrnehmen, wüssten dann aber oft nicht, an wen sie sich wenden sollen. Hilfsangebote müssten daher im Sinne eines "110 im Netz" präsenter sein, unterstützte die Ministerin vergleichbare Forderungen nach Internet-Notrufmöglichkeiten des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), um "unmittelbar reagieren zu können".

Größtenteils einig waren sich Vertreter aller Fraktionen bei der nachdenklichen Debatte, dass eine "Kultur des Hinsehens" gefördert werden müsse. "Reflexartigen Rufen" nach neuen Gesetzen erteilten die Redner eine Absage. Immer wieder nahmen Parlamentarier vor allem der Linken, Grünen und SPD aber Verschärfungen des Waffenrechts in den Blick. Auch Gewaltdarstellungen in Medien und Computerspielen sowie davon potenziell ausgehende Suchtgefährdungen kamen wiederholt zur Sprache. So warf Michaela Noll von der CDU/CSU-Fraktion etwa die Frage auf: "Wie viel virtuelle Gewalt können Kinder und Jugendliche verkraften?" Unverständlich schien ihr zudem, "wieso virtuelles Töten einen Freizeitwert in unserer Gesellschaft erhalten hat".

Ihr Fraktionskollege Johannes Singhammer bedauerte, dass "eine kleine Minderheit" Gewalt im Computerspiel von der in der realen Welt nicht unterscheiden könne. Damit verknüpfte Grausamkeiten würden von der "Wohlfühlatmosphäre" im Sessel vor dem Bildschirm überdeckt. "Wir müssen auf Nummer sicher gehen", sprach sich der CSU-Politiker an diesem Punkt für ein stärkeres Eingreifen der Politik aus. Wenn es etwa eine hohe Abhängigkeit von gewaltbeherrschten Computerspiele schon in jungen Jahren gebe, "müsste die Altersgrenze erhöht werden". Auch der Sozialdemokrat Jürgen Kucharczyk wollte wissen, ob "wir den Zugang zu Spielen brauchen, in denen auf bestialische Weise gemordet wird". Keine rasche Antwort fand zudem Ilse Falk von der Union auf die Frage, "warum sich so viele in die Scheinwelt von Fernsehen, Internet und Computerspielen stürzen".

Caren Marks von der SPD erinnerte daran, dass das Parlament bereits den Kinder- und Jugendschutz, das Strafrecht hinsichtlich gewaltbestimmter Computerspiele und das Waffenrecht verschärft habe. Nötig sei nun eine Politik, die Jugendarbeit, Jugendhilfe und Gewaltprävention fördere. Ihre Parteikollegin Monika Griefahn begrüßte, dass es nur noch "einzelne Versuche" gebe, neue Medien allein als Sündenbock hinzustellen. Deutschland habe bereits eines der "wirksamsten Systeme" beim Jugendmedienschutz. Erschüttert zeigte sich Griefahn aber, dass gerade bei den alten Medien im Wettlauf um die beste Schlagzeile und schockierende Bilder die Ethik auf der Strecke geblieben sei. Auch auf Twitter seien es als erste Journalisten traditioneller Medienhäuser gewesen, die sich pietätlos über die Tat geäußert oder in Szene gesetzt hätten. Dies habe mit seriösem Journalismus überhaupt nicht zu tun. "Medien werden zu Waffen", monierte die SPD-Politikerin. Sie würden Trittbrettfahrer und Nachahmungstäter fördern.

Fraktionsübergreifend setzten sich Abgeordnete dafür ein, den Vollzug der bestehenden Gesetze zu stärken. Im Vorfeld der Debatte hatte die Familienministerin dabei erneut auf ihren alten, zunächst gescheiterten Vorstoß verwiesen, auch mit minderjährigen Testkäufern die Einhaltung des Verkaufsverbots gewaltbeherrschter Computerspiele zu kontrollieren. Die Verantwortung dafür liege nun bei den Ländern und Kommunen. (Stefan Krempl) / (pmz)