Sonnenwind schwächt sich ab

Messungen der NASA haben ergeben, dass der Sonnenwind noch nie seit Beginn der Messungen vor rund 50 Jahren so schwach war.

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Von
  • Urs Mansmann

Nach Angaben der US-Weltraumbehörde NASA hat sich der Sonnenwind in den vergangenen zehn Jahren deutlich und kontinuierlich abgeschwächt. "Seit Mitte der 90-er Jahre ist der durchschnittliche Druck des Sonnenwinds um 20 Prozent zurückgegangen", berichtet Dave McComas, der Forschungsleiter für den SWOOPS-Sonnenwindsensor an Bord der Ulysses-Sonde, die seit 1990 die Sonne vermisst. Die Geschwindigkeit des Sonnenwinds hat diesen Angaben zufolge nur um 3 Prozent abgenommen, die Temperatur jedoch um 13 und die Dichte um 20 Prozent. Das Magnetfeld der Sonne habe sich sogar um 30 Prozent abgeschwächt.

Wie ungewöhnlich dieses Ereignis ist, wird nun in der Forschergemeinschaft diskutiert. Die zurückliegenden 50 Jahre sind für derartige Beobachtungen ein kurzer Zeitraum, in dem die Sonne im Vergleich zu den Jahrhunderten davor zudem äußerst aktiv war. Der nachlassende Sonnenwind zeigt indes bereits Wirkung: Die Sonde Ulysses registrierte eine Zunahme der Zahl der schneller Elektronen mit hoher Energie im GeV-Bereich um rund 20 Prozent, diese sind ein verlässlicher Indikator für die Intensität der kosmischen Strahlung. Grund dafür ist, dass die Magnetosphäre der Sonne, deren Grenze weit jenseits des fernsten Planeten Neptun verläuft, durch den geringeren Gegendruck in Form des Sonnenwindes und das schwächere Magnetfeld der Sonne an Volumen verliert.

Auf der Erde hat das keine direkten Folgen; irdisches Magnetfeld und Atmosphäre absorbieren die kosmische Strahlung fast vollständig. Für Satelliten und Raumfahrzeuge außerhalb der schützenden Magnethülle der Erde steigt allerdings die Strahlenbelastung – ein Faktor, den beispielsweise die Planer einer Mond- oder Marsmission berücksichtigen müssen. Auf die Satelliten in der Erdumlaufbahn hätte eine schwächelnde Sonne indes sogar positive Auswirkungen: Die äußersten Schichten der Ionosphäre kühlen sich bei geringer Sonnenaktivität ab, dadurch geht ihre Ausdehnung zurück und Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen werden in Folge weniger stark abgebremst. Satelliten im freien Raum oder in sehr hohen Umlaufbahnen hingegen könnten von der zunehmenden kosmischen Strahlung beschädigt werden.

Derzeit befindet sich die Sonne im Minimum ihres ungefähr 11-jährigen Aktivitätszyklus. Das Minimum hält bereits länger als zunächst prognostiziert an, was bisweilen zu wilden Spekulationen über eine langanhaltende Verringerung der Sonnenaktivität führt. Einer der führenden Sonnenphysiker, David Hathaway, widerspricht dem vehement. Das derzeitige Aktivitätsminimum sei weder besonders tief noch besonders lange im Vergleich mit historischen Aufzeichnungen, die bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen und auf einer Zählung der Sonnenflecken beruhen, betonte er erst vor einigen Monaten.

Falls sich die Sonnenaktivität tatsächlich langfristig verringert, wäre das die Nagelprobe für die Theorie, dass die Temperaturen auf der Erdoberfläche und die Aktivität der Sonne miteinander korrelieren, obwohl die gesamte Strahlungsleistung der Sonne nur minimale Änderungen erfährt. Einige Wissenschaftler vertreten die These, dass eine erhöhte kosmische Strahlung zu einer verstärkten Wolkenbildung führt. Die in Folge höhere Albedo der Erde würde demzufolge zu einer Abkühlung führen. Als Beleg wird der weltweit besonders kalte Zeitabschnitt Ende des 17. Jahrhunderts genannt, der mit einer sehr niedrigen Sonnenaktivität zusammenfiel. (uma)