NSA-Skandal: Programm Dishfire beutet die "Goldmine SMS" aus

Das jetzt enthüllte Programm Dishfire zur Sammlung von Hunderten Millionen SMS bezeichnen die Geheimdienstler intern als "Goldmine". Grund dafür ist die Verknüpfung aus Verbindungsdaten und automatisch analysierten Inhalten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 128 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Am gestrigen Donnerstag hat der britische Guardian enthüllt, dass NSA und GCHQ im April 2011 fast 200 Millionen SMS gesammelt haben. Die Dokumente zeigen aber auch, dass sich die Geheimdienste schon damals nicht mit der bloßen Anhäufung zufrieden gegeben haben. Die Erläuterungen darüber, wie intensiv die Geheimdienste bereits vor fast drei Jahren diese immensen Datenbanken für die Überwachung genutzt haben, vervollständigen das Bild einer totalen Kommunikationsüberwachung.

Noch ein Smiley: Kommentiert wird der Wert der Verknüpfung aus Verbindungsdaten und Inhaltsanalyse

(Bild: Guardian)

Den Folien zufolge werden die Text-Nachrichten nicht nur gesammelt, sondern von einem Programm namens Prefer automatisch analysiert. Das Programm ergänzt die Datenbankeinträge zu den einzelnen SMS um Meta-Informationen, die aus deren Inhalt generiert wurden. Diese erweiterten Metadaten werden in dem Dokument als "analytische Schätze" bezeichnet. Neben dem, was dann aufgezählt wird, ist vorstellbar, dass es sich dabei um Schlagworte zum Inhalt, dem Grund für die Nachricht, der Beziehung zwischen den Schreibenden und noch viel mehr handelt.

Was sich alles aus dieser Verknüpfung von Verbindungsdaten und analysiertem Inhalt herausfiltern lässt, hat der Autor der Folie hinzugefügt. So könnten etwa Ortsangaben erkannt werden, wenn jemand per SMS nach dem Weg fragt oder ein Treffen vereinbart. Außerdem könnten (nicht) zurückgelegte Wege noch genauer verfolgt werden, wenn Stornierungen für Flüge oder Informationen über Verspätungen ausgewertet werden. Schließlich wurden täglich Hunderttausende Informationen zu Geldgeschäften analysiert. So könnten die Programme Handynutzern Kreditkarten zuordnen oder Geldtransfers erkennen.

Aus den Informationen kann einiges extrahiert werden.

(Bild: Guardian)

Außerdem erläutert der Guardian ausführlich, wie die Analysten mit dieser Datenbank arbeiten können. So würden GCHQ-Mitarbeiter intern darauf hingewiesen, dass sich darin große Mengen an SMS-Daten finden, die vorher nicht zur Überwachung ausgewählt wurden. Deshalb sei sie besonders nützlich, um neue Zielpersonen zu finden, auch weil man so an Nachrichten von Verdächtigen gelangen kann, die diese abgesetzt haben, Monate oder Jahre bevor sie ins Visier gerieten.

Die Daten könnten außerdem in ihrer Gesamtheit durchsucht werden, "was eine hohe Zahl an Treffern liefern könnte". Dabei müssten die Briten aber einen Haken in den Einstellungen setzen, der den Inhalt der Nachrichten ausblendet. Ansonsten bestünde die Gefahr, britische SMS lesen zu können, was den Analysten ohne richterliche Erlaubnis verboten ist. Für NSA-Geheimdienstler dürfte diese Einschränkung nicht gelten, denn "US-bezogene SMS" würden automatisch aus dem System entfernt.

Diese Dokumente untermauern erneut die Vorwürfe des NSA-Whistleblowers Edward Snowden, der vor einem halben Jahr erklärt hat, die Überwachung sei allumfassend. Der von offizieller Seite immer wieder vorgebrachte Hinweis, alles unterliege angemessener Aufsicht, hat unterdessen einen weiteren Kratzer bekommen. Der Sicherheitsexperte Bruce Schneier erklärte auf seinem Blog, er habe am vergangenen Mittwoch mehrere Abgeordnete des US-Kongresses über die NSA aufgeklärt. Der Geheimdienst selbst sei nicht sehr mitteilsam, hätten ihm die sechs Abgeordneten beider Parteien gesagt. (mho)