Kommerzielle Suchmaschinen in der Elementarteilchenphysik unter "ferner liefen ..."

Im Unterschied zu Wissenschaftlern allgemein bevorzugen Elementarteilchenphysiker bei Recherchen facheigene Datenbanken gegenüber Google und kommerziellen Suchmaschinen. Unter jüngeren Wissenschaftlern ist Google allerdings im Kommen.

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Von
  • Richard Sietmann

Elementarteilchenphysiker nutzen Google bei ihrer täglichen Arbeit kaum. Einer Umfrage zufolge, die auf dem derzeit am DESY in Hamburg stattfindenden "HEP Information Summit" vorgestellt wurde, greifen lediglich 8,5 Prozent der Befragten bei Recherchen auf die Suchmaschine zurück. Dieses Ergebnis kontrastiert mit den Zahlen, die kürzlich eine noch unveröffentlichte Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft zutage förderte, wonach Google bei der Suche nach wissenschaftlichen Arbeiten an erster Stelle steht. An der DFG-Untersuchung hatte man allerdings Wissenschaftler aus allen Fachrichtungen befragt, und sie beschränkte sich auf den deutschen Raum.

Dagegen war die gemeinsame Umfrage der Großforschungseinrichtungen CERN, DESY, Fermilab und SLAC weltweit und disziplinspezifisch angelegt; insgesamt beantworteten mehr als 2000 der angeschriebenen Wissenschaftler den Fragebogen, das sind rund zehn Prozent der Forscher in der Community in der Hochenergiephysik (HEP). Ebenso wie in der DFG-Untersuchung stellte sich dabei heraus, dass die speziell auf Akadamiker zugeschnittene Suchmaschine Google Scholar ihre Zielgruppe offenbar noch nicht erreicht hat: Lediglich 0,7 Prozent der Befragten gaben an, sie zu nutzen.

In der Elementarteilchenphysik stützen sich die Wissenschaftler überwiegend – zu 91,4 Prozent – auf die von der HEP-Community selbst aufgebauten und betriebenen Datenbanken; für 48,2 Prozent ist (SPIRES), für 39,7 Prozent der Preprint-Server arXiv bei Recherchen die erste Anlaufstelle. Die von kommerziellen Wissenschaftsverlagen angebotenen Datenbanken und Suchmaschinen wie SCOPUS, INSPEC oder Web of Science kommen lediglich auf einen Anteil von 0,1 Prozent und spielen in dieser Disziplin praktisch keine Rolle.

Google hingegen ist unter jüngeren Wissenschaftlern offenbar im Kommen. Unter denen, die erst seit zwei Jahren aktiv tätig sind, ist die kalifornische Universalsuchmaschine für jeden fünften das System der Wahl. "Google profitiert sehr stark davon, dass die von der Community betriebenen Systeme ihre Inhalte frei dem Sammeln zur Verfügung gestellt haben", meint Salvatore Mele vom CERN. "Wie in anderen Disziplinen auch operiert Google als eine breiter aufgestellte Alternative zu den Verlagsportalen."

Auf zunehmende Akzeptanz stoßen der Umfrage zufolge die Social-Networking-Tools des Web 2.0. Auf die Frage, wieviel Zeit sie für das Tagging von Artikeln über ein einfaches Web-Interface aufbringen würden, gaben 81Prozent der Forscher mehr als 30 Minuten pro Woche an; lediglich 19 Prozent sahen in dem Tagging keinen Dienst an der Community und lehnten es völlig ab – das Verhältnis zwischen Zustimmung und Ablehnung dieses Kommunikationskanals zur Kategorisierung der Arbeiten anderer blieb in allen Altersgruppen nahezu gleich.

Unmittelbare Verbesserungen für ihre Arbeit erwarten mehr als 90 Prozent in erster Linie von der zusammenfassenden Verlinkung aller auf ein bestimmtes Forschungsergebnis bezogenen Arbeiten – wie beispielsweise technischen Laborberichten, Preprints, Veröffentlichungen, Kommentaren oder Zitationen; ebenso viele erhoffen sich Erleichterungen von einer stärkeren Zentralisierung des fachlichen Retrievals sowie dem Mausklick-Zugang zu den Daten hinter den Grafiken in den Veröffentlichungen. Insbesondere ergab die Umfrage, dass ein großer Teil der Forscher die wissenschaftliche Kommunikation vor einem tiefgreifenden Wandel sieht: Drei von vier Befragten erwarten innerhalb der nächsten fünf Jahre "einige" bis zu "erhebliche" Veränderungen in den Systemen zur Informationsversorgung und -beschaffung. (Richard Sietmann) / (jk)