Organe am Drehspieß

Die US-Firma HART züchtet mit Hilfe von Kunststofffasern und Stammzellen künstliche Luftröhren. Die Technologie soll nun aus dem Labor in den medizinischen Alltag einziehen.

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Von
  • Susan Young

Die US-Firma HART züchtet mit Hilfe von Kunststofffasern und Stammzellen künstliche Luftröhren. Die Technologie soll nun aus dem Labor in den medizinischen Alltag einziehen.

In den vergangenen fünf Jahren haben Chirurgen mehreren Patienten eine künstliche Luftröhre eingesetzt und ihnen damit das Leben gerettet. Was bislang noch Versuche mit einer neuen Labor-Technologie waren, soll demnächst in den medizinischen Alltag einziehen. Die Firma Harvard Apparatus Regenerative Technology, kurz HART, aus Boston hat begonnen, Gerüste herzustellen, an denen die künstlichen Luftröhren aus Stammzellen eines Patienten entlangwachsen können.

„In den vergangenen 25 Jahren ist aus der einstigen Vision, die mehr mit Sciencefiction gemein hatte, eine Ingenieuranwendung geworden“, sagt Joseph Vacanti, ein Chirurg am Massachusetts General Hospital und einer der führenden Experten in der Gewebezucht-Forschung, der an der Forschung bei HART nicht beteiligt ist.

Forschungsgruppen in aller Welt verfolgen hierbei ganz unterschiedliche Ansätze: Die einen arbeiten mit Ink-Jet-Verfahren, in denen die Zellen aus Druckdüsen auf Gerüste aufgebracht werden; andere probieren es mit Zellkulturen, die sich spontan selbst organisieren und zu Proto-Organen formen.

Das Gerüst für die künstliche Luftröhre, an das sich die Stammzellen anlagern.

HART fertigt zunächst aus hauchdünnen Fasern von wenigen Mikrometern Dicke Röhren an. Deren Form ist dabei an den jeweiligen Patienten angepasst. An das Gerüst lassen sich dann Stammzellen anlagern, die aus dem Knochenmark des Patienten gewonnen wurden. „Die Zellen fühlen sich auf dem Gerüst wie zuhause“, sagt HART-CEO David Green.

Praktisch funktioniert das so, dass das Gerüst gedreht und dabei mit den Stammzellen berieselt wird – so wie ein Hähnchen auf einem Drehspieß gegrillt werde, erläutert Green. In einem Inkubator würden die Zellen dazu gebracht, sich zu den Zellen einer Luftröhre zu entwickeln. Nach zwei Tagen könne die künstliche Luftröhre dann verpflanzt werden. Die letzten vier experimentellen Operationen mit künstlichen Luftröhren seien alle mit HART-Exemplaren gemacht worden, sagt Green.

Fünf Tage nach der Transplantation würden an dem synthetischen Organ weitere Zelltypen entstehen, darunter solche, die das Innere der Röhre auskleiden. An dieser Oberfläche kann dann Lungenschleim haften bleiben, der über den Husten aus der Lunge in die Röhre transportiert wird. Nach einiger Zeit würden auch neue Blutgefäße in die Röhre hineinwachsen, sagt Green.

Mit diesem Verfahren sollen in Zukunft auch andere Ersatzorgane produziert werden, etwa synthetische Herzklappen, Nieren oder Speiseröhren. Die Medizin könnte diese gut gebrauchen. Die Wartelisten für Transplantationen von Spenderherzen, -lungen, -lebern oder –nieren sind lang. Täglich sterben Patienten, weil ihnen nicht rechtzeitig ein Spenderorgan eingepflanzt wurde.

Allein in den USA stehen 120.000 Menschen auf Wartelisten für Transplantationen, schätzt das US-Gesundheitsministerium. Und die Wartelisten würden gar nicht den wahren Bedarf abbilden, sagt Joseph Vacanti. „Der einzige Weg, um den Bedarf zu decken, geht über die Herstellung synthetischer Organe“, betont Vacanti.

HART testet die Technologie derzeit in Russland, Tests in der EU sollen in diesem Jahr folgen. In Abstimmung mit der US-Aufsichtsbehörde FDA bereitet HART außerdem eine Testreihe in den Vereinigten Staaten vor.

(nbo)