Nobelpreis für Entdeckung von tödlichen Viren

Der diesjährige Nobelpreis für Medizin geht zur Hälfte an Harald zur Hausen, der als Erster nachwies, dass Humane Papillomaviren Gebärmutterhalskrebs verursachen können und an Francoise Barré-Sinoussi sowie Luc Montagnier für die Entdeckung des HI-Virus.

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Der diesjährige "Nobelpreis für Physiologie oder Medizin" geht zur Hälfte an den deutschen Krebsforscher Harald zur Hausen, der als Erster nachwies, dass Humane Papillomaviren (HPV) Gebärmutterhalskrebs verursachen können. Die andere Preishälfte teilen sich die Franzosen Francoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des HI-Virus als Ursache der erworbenen Immunschwächekrankheit (Acquired Immune Deficiency Syndrom, AIDS).

Zur Hausen, langjähriger Direktor des Deutschen Krebsforschungsinstituts in Heidelberg, postulierte bereits in den 1970er-Jahren – entgegen dem herrschenden Wissenschaftsdogma –, dass Humane Papillomaviren eine Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs spielen. Den Beweis erbrachte er, indem er in der DNA von Tumorzellen Erbgutstücke von Papillomaviren nachwies: Anfang der 1980er-Jahre isolierte er mit seiner Arbeitsgruppe erstmals die Virentypen HPV 16 und HPV 18 aus einer Gebärmutterhalskrebsprobe.

Die Entdeckung wurde dadurch erschwert, dass nur bestimmte HPV-Typen Krebs verursachen und die betreffenden Typen nur Teile ihres Genoms in die Wirts-DNA einschleusen. Zur Hausen klärte den genauen Mechanismus der Krebsentstehung sowie die Faktoren auf, die eine Person anfällig für die Erkrankung machen. Seine Forschungen bildeten die Grundlage für die Entwicklung eines Impfstoffs, der Frauen vor der gefährlichen Spätfolge einer Infektion mit den gefährlichsten Erregertypen schützt.

Francoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier entdeckten die HI-Viren in Lymphknoten-Gewebeproben von Patienten, die an einer neuen, bis dahin unbekannten Immunschwäche-Krankheit litten. Der erste Hinweis auf ein Virus war das Enzym "Reverse Transkriptase" in den sogenannten CD4-T-Helferzellen, einer Unterart von weißen Blutkörperchen. Dieses Enzym wird nur von sogenannten Retroviren benutzt, also Viren, die nicht DNA sondern die chemisch eng verwandte RNA als Erbgut besitzen. Da sich die RNA nicht in die DNA ihrer Wirte einschleusen lässt, brauchen sie die reverse Transkriptase – deren Bauaunleitung sie selbst mitbringen – zur Rückübersetzung von RNA in DNA.

Dann können sie die Wirtszellen durch Einfügen ihrer DNA übernehmen und sie zur Produktion von neuen Viren zwingen. Auch diese vollständigen HI-Viruspartikel, die gerade aus befallenen T-Helferzellen schlüpften, konnten die französischen Forscher als erste in den Patienten nachweisen. Der Befall der CD4-T-Helferzellen, die bei der Abwehr von Erregern eine Schlüsselrolle spielen, erklärte auch, warum das Immunsystem der Patienten stark geschwächt war.

Über den ersten Platz bei der Entdeckung des HI-Virus entbrannte allerdings zunächst ein kurioser Streit: Die Isolierung von HI-Viren war auch der Vorarbeit des US-Wissenschaftlers Robert Gallo zu verdanken, der es als Erster geschafft hatte, die T-Helferzellen außerhalb des menschlichen Körpers im Labor wachsen zu lassen. Als Gallo von Montagnier eine Probe mit den isolierten Viren erhielt, gab er auf einer Pressekonferenz bekannt, die Isolierung des AIDS-Erregers geschafft zu haben – ohne jegliche Veröffentlichung und ohne seinen französischen Kollegen darüber zu unterrichten.

Gallo entwickelte dann den ersten, lange erwarteten Bluttest für HIV, auf den die National Institutes of Health der US-Regierung ein Patent anmeldet. Als beide Forscher 1985 die Gensequenz des Virus veröffentlichen, ist Gallos Sequenz – trotz der bekannten außerordentlichen hohen Mutationsrate bei HIV – fast identisch mit Montagniers. Der Verdacht liegt nahe, dass der US-Wissenschaftler die französische Probe sequenziert hat. Der Patentstreit wird schließlich durch eine Einigung von US-Präsident Ronald Reagan und Frankreichs Premierminister Jacques Chirac beendet, nach der beide Forscher 50 Prozent der Lizenzgebühren erhalten. Gallo wird später zugeben, seine Probe sei möglicherweise durch die französische verunreinigt worden.

Barré-Sinoussi und Montagnier klärten später die Übertragungswege des HI-Virus durch den Kontakt von Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma und Vaginalsekret auf. Ihre Forschung ermöglichte die genaue Aufklärung des Vermehrungszyklus und damit die Entwicklung von Diagnosetests und einer ganzen Reihe von antiviralen Medikamenten. (Veronika Szentpétery) / (wst)