Googles Browser Chrome soll für Tempo auf Funktionen verzichten

Google überlegt, in seinem Browser von Adobe vorgeschlagene CSS-Funktionen für den Textfluss zwischen Teilen einer Seite nicht zu unterstützen. Der Code für diese Regions sei zu groß und bremse zu sehr. Strittig ist zudem der Nutzen der Technik.

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Von
  • Christian Kirsch

CSS-Regions sollen das Layout von Web-Dokumenten weiter an das vom Druck Gewöhnte heranrücken: Sie erlauben den automatischen Weiterfluss von Text zwischen Teilen einer Seite und erlauben beispielsweise ein unkompliziertes Mehrspalten-Layout. Adobe hatte sie 2011 vorgeschlagen, seitdem wurden sie in Opera, Chrome und Safari implementiert. Nun kündigt Google an, sie aus seinem Browser wieder zu entfernen.

Googles Software-Entwickler Eric Seidel begründet die Überlegung damit, man wolle sich auf die mobile Chrome-Version konzentrieren. Dabei habe sich der Code für Regions als groß, verteilt und Performance-Bremse herausgestellt. Von 350.000 Code-Zeilen in Chrome entfielen 10.000 in 145 Dateien darauf.

Der größte Teil der Region-Implementierung in Chromes Blink-Engine stammt von Adobe. Auf das Angebot von dessen Entwicklern, Schwachstellen und Performance-Engpässe zu identifizieren und zu beheben, ging Seidel nicht ein. Zahlen für die behauptete Leistungseinbuße sind bisher nicht veröffentlicht. Auch der Hinweis des CSS-Erfinders Håkon Wium Lie, Apps für die Lektüre von eBooks bräuchten den Code, konnte Seidel nicht umstimmen. Allerdings hält Lie Regions für eine schlechte Idee, mit den von ihm bevorzugten CSS-Figures ließe sich in Verbindung mit mehrspaltigem Layout dasselbe erreichen.

Zwar bilde der in Blink steckende Region-Code laut Lie eine gute Basis für dieses Mehrspalten-Layout. Regionen selbst jedoch würden die Semantik der Webseite mit Darstellungsdetails verwässern, führten zu Problemen bei unterschiedlichen Bildschirmgrößen und begünstigten verwirrenden Textfluss.

Dieser Auffassung widerspricht die Web-Designerin Sara Soueidan: Regionen ließen sich durchaus in Verbindung mit CSS-Media-Queries für responsive Design nutzen und führten keineswegs zwangsläufig zu nicht-semantischen HTML-Dokumenten.

[Update 28.01.2014 12:10]

Bereits letzte Woche war die Kontroverse um das geplante CSS-Modul weit über die Grenzen der W3C-Mailinglisten hinaus aufgebrandet: Niemand geringerer als CSS-Miterfinder Håkon Wium Lie äußerte in seinem Debattenbeitrag "CSS Regions Considered Harmful" vernichtende Kritik an der Technik. Lie bemängelte, dass CSS Regions HTML zu Präsentationszwecken missbrauche, und kritisierte Probleme mit responsiven Layouts und weitschweifigen CSS-Deklarationen. Lies Angriff blieb nicht  unwidersprochen.

Auch wenn der CSS-Erfinder anders als Eric Seidel die CSS-Anwenderperspektive vertritt, könnte sein Einwurf dennoch mit der Entscheidung der Google-Entwickler in Verbindung stehen: Von Beruf ist Håkon Wium Lie Technikchef von Opera, die gemeinsam mit Google an Chromium und dessen Rendering-Engine Blink arbeiten. (Herbert Braun) / (ck)