Welch Überraschung: die Kosten für ALG II steigen

Außer Kontrolle

Trotz der "guten Konjunkturlage" werden die Kosten für die ALG II-Leistungen nicht sinken, sondern eher steigen. Dabei hatte die Regierung sich das ganz anders gedacht.

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Es hatte sich alles so gut angehört. Die gute Konjunkturlage führt auch zu sinkenden Kosten für ALG II, hieß es noch vor kurzem. Schnell wurde seitens der Regierung angenommen, dies wäre eine dauerhafte Entwicklung und es könne insofern "gespart" werden.

Doch die Freude war verfrüht, statt Minderausgaben gibt es Mehrausgaben, 700 Millionen Euro mussten dem bisherigen Etat hinzugefügt werden. Zurückgeführt wird dies einerseits darauf, dass es "eine unerwartet hohe Zahl an Bedarfsgemeinschaften" gebe, andererseits aber auch darauf, dass die Anzahl derer steigt, die bei Verlust der Erwerbstätigkeit nicht mehr zunächst im ALG I-Bezug landen, sondern direkt bei ALG II.

Diese Entwicklung ist nicht wirklich überraschend. Seit sich Gerhard Schröder auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos damit brüstete, in Deutschland den besten Niedriglohnsektor Europas vorweisen zu können, war klar, dass die Reformen im Bereich der Transferleistungen für Erwerbslose letztendlich auch dazu gedacht waren, die Menschen "schnell wieder in Brot und Arbeit zu bringen" (wobei der Hauptaugenmerk auf "Arbeit" lag, denn die Einschränkungen in Bezug auf Löhne/Gehälter waren quasi inexistent). Damit war die Tür für Lohndumping weit geöffnet, zumal die Höhe des Einkommens bei der Zumutbarkeit einer Tätigkeit keine Rolle spielt. Zugleich stieg somit die Zahl derer, die trotz Erwerbstätigkeit auf ergänzende Leistungen wie Wohngeld oder auch ALG II angewiesen waren.

Für die "Nur wer arbeitet, soll auch essen (dürfen)"-Fraktion war dies eine vernachlässigbare Tatsache, für sie stand im Vordergrund, dass die Transferleistungsempfänger wenigstens etwas für "ihr Geld" taten, oft noch mit Begründungen wie: "Ich will ja nur, dass das Geld bei den wirklich bedürftigen Menschen ankommt, nicht, bei denen, die arbeiten können" in gleichermaßen oberflächliche wie auch kurzsichtige Worte gepackt. Oberflächlich, weil das Pressen der Menschen in jeden noch so niedrig bezahlten Job natürlich auch als Druckmittel für andere dient, kurzsichtig weil auf diese Weise die Arbeit"geber" zu Lasten der Steuerzahler entlastet werden, da dieser für die Aufstockung der Einkommen aufkommen muss.

Die logische nächste Stufe dieser Spirale ist die Tatsache, dass diejenigen, die schon während ihrer Erwerbstätigkeit auf ergänzende Leistungen angewiesen sind, bei Verlust der Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf ALG I-Leistungen haben. Dies nun als überraschende Entwicklung zu verkaufen, ist nichts anderes als ein Blendwerk. Sollte die Regierung hiermit tatsächlich nicht gerechnet haben, so zeugt dies von mangelnder Logik und fehlendem (Rechen)Verständnis, sollte sie damit gerechnet haben, sich nun aber nur überrascht geben, so zeugt dies davon, dass sie der Bevölkerung nicht zutraut, die offensichtlichen Fehler zu bemerken bzw. meint, dass diese einfach jeder Beteuerung glaubt und nicht selbst auch nachdenkt.