Widerstand gegen Steuern auf Sonne und Wind

In Spanien wehren sich Eigenverbraucher von erneuerbarem Strom gegen Netzzwang, Besteuerung und Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung

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"Ich habe die Solaranlage abgebaut, weil der Solarstrom teurer wird als der Strom aus dem Netz", erklärte der Madrider Architekt Iñaki Alonso. Die drei Solarpanels, die dem Eigenverbrauch dienen sollten, hatte er schon vom Dach genommen, bevor am späten Dienstag im Parlament das neue Energiegesetz verabschiedet wurde. Mit ihrer absoluten Mehrheit hat die konservative Volkspartei (PP) all das verabschiedet, was den Architekten empört. Er hatte sich schon im Sommer für den Abbau entschieden, als der Gesetzesentwurf vorgestellt wurde.

Kritiker meinen, mit der beschlossenen "peaje de respaldo" (Netzunterstützungsgebühr) werde eine Steuer auf Sonne und Wind eingeführt. Nun sollen sechs Cent pro Kilowatt für allen Strom bezahlt werden, der zu Hause produziert wird. Deshalb ging die Rechnung für Alonso nicht mehr auf. Sein Strom wäre "zwischen 23 und 24 Prozent teurer als Netzstrom". Dabei ist er noch zurückhaltend, denn andere Experten rechnen, dass es sogar fast 30 Prozent sind. Seine Anlage hat er einem Freund geschenkt. Dessen Ferienhaus steht fern jeder Stromleitung. Nur solche Anlagen sind von der Gebühr ausgenommen.

Die Kooperative SOM ENERGIA ruft deshalb zum "Ungehorsam" gegen das Gesetz auf, um "Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit" zu erreichen. Das Gesetz, das nur noch vom Senat verabschiedet werden muss, sei ein "Komplott der Regierung und der großen Stromerzeuger". Dass es verabschiedet wird, daran besteht kein Zweifel. Auch dort verfügen die Konservativen über eine absolute Mehrheit, mit der sie schon im Kongress alle Einwendungen der Oppositionsparteien abgelehnt haben. Für die Opposition ist das Gesetz nicht nur wegen der Gebühr fragwürdig, sondern auch wegen der Tatsache, dass alle Solar- und Windanlagen gemeldet und ans Stromnetz angeschlossen werden müssen.

Nur wenn das "technisch unmöglich" ist, gibt es eine Ausnahme und die Gebühren entfallen. Auch das ist ein zweischneidiges Schwert, weil damit kein Recht darauf entsteht, dass große Netzbetreiber alleinstehende Häuser ans Stromnetz anschließen müssen, meinen die Kritiker. Doch mit dem Zwang, ans Stromnetz angeschlossen zu sein, wird die Gebühr begründet. Die Eigenverbraucher werden mit dem Argument an den Kosten für den Ausbau des Stromnetzes und seiner Erhaltung gebeten, weil sie schließlich jederzeit auf das Netz zugreifen können.

Doch das wollen viele nicht wie der Selbstversorger José Ardanza. Seinen echten Namen will er nicht nennen. Das hat einen Grund: Das neue Gesetz sieht sogar "Hausdurchsuchungen" ohne richterliche Genehmigung vor, empört er sich. Inspektoren des Industrieministeriums dürfen demnach in private Häuser oder Wohnung vordringen, um zu prüfen, ob Solar- oder Windanlagen an das Stromnetz angeschlossen sind. "Das ist, wie Gebühren auf Obst und Gemüse zu erheben, das im eigenen Garten wächst", meint Ardanza. "Ich soll auch noch den Zähler bezahlen, um für den Strom zu zahlen, den ich selber verbrauche." Denn dafür fallen Gebühren an und nicht für den Strom, der real ins Netz eingespeist oder entnommen wird.

Ardanza will seinen kleinen Windgenerator und sein Solarpanels nicht registrieren lassen. Er hofft, unentdeckt zu bleiben und riskiert eine Strafe. Dass drakonische Geldstrafen bis zu 30 Millionen Euro drohen, hat den Madrider Architekt Alonso abgeschreckt, die Anlage unangemeldet zu betreiben. Ardanza ist das egal, bezahlen könnte der Arbeitslose sie ohnehin nicht. Er hofft, im spanischen Chaos unterzugehen. Viele Gesetze würden gemacht, deren Umsetzung nicht kontrolliert werde. Angesicht ständiger Entlassungen im öffentlichen Dienst und Sparmaßnahmen werde sich das weiter verstärken.

Um seinen Widerstand zu zeigen und anderen zu helfen, die es trifft, will er nun Mitglied von Som Energia werden. Die Kooperative bietet nicht nur Kits für Eigenverbraucher an, sondern auch Schutz für die Mitglieder. Etwaige Strafen und Rechtsschutz sollen gemeinsam aus Beiträgen bezahlt werden. Die "Plattform für ein Neues Energiemodell" unterstützt die Initiative. Ihr Sprecher Lino Blanco hora en vivo/2013 11 19/ecologistas llaman a la desobediencia civil contra la reforma energetica_100925/ erklärt, das Gesetz verurteile Spanien zu einem "ineffizienten, unproduktiven und teuren" Energiemodell, womit die Zukunft und der gesamte Planet gefährdet und Millionen "Energiearme" schaffe werde.

Mit ihren Kampagnen willen die Kritiker auch erreichen, dass Parteien, der Ombudsmann oder andere eine Verfassungsklage einreichen, die dazu in der Lage sind. Schon der Staatsrat, der Gesetzesvorhaben beurteilt, bezweifelte, dass diese Reform verfassungskonform ist. So sind weitere Klagen zu erwarten.

Schon jetzt klagen Regionalregierungen, Großfirmen, Vereinigungen kleiner Stromerzeuger und internationale Geldfonds gegen nachträgliche Kürzungen von Einspeisevergütungen vor nationalen und internationalen Gerichten. Um etwa 40 Prozent seien schon bisher die einst für 30 Jahre garantierten Renditen gesenkt worden, es wird von einer "verdeckten Enteignung" gesprochen. Etliche Anlagen sind längst unrentabel, die Betreiber ruiniert, die aber weiter ihre Kredite bezahlen müssen, damit die Anlagen nicht an die Bank fallen.