Telefonlisten der Jobcenter sollen geheim bleiben

Außer Kontrolle

Harald Thome wird die Veröffentlichung der Telefonlisten von Jobcentern einstellen. Zeitgleich bittet er um Hilfe, damit diese öffentlich bleiben. Seine Kapitulation ist ein Sieg der Einschüchterung und der Geheimniskrämerei.

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Früher, in der guten alten Zeit quasi, als Telefone noch Wählscheiben hatten, das war die Zeit der Nummern, die noch ohne 0180, 0900, 0800... auskamen. Was sich zwar in vielen Bereichen praktisch bewährt hat, z.B. im Bereich des schnellen Kaufens, brachte letztendlich auch viele negative Seiten mit sich – von den diversen 0900-Betrugsmaschen abgesehen, schaffte es für viele Behörden auch die Möglichkeit, sich hinter Nummern zu verstecken, die es unmöglich machten herauszufinden, wie ein Sachbearbeiter direkt zu erreichen sein könnte. Vergangen sind die Zeiten, als sogar Namen von Sachbearbeitern z.B. bei Jugendämtern samt Durchwahl im Telefonbuch zu finden waren, stattdessen wird den "Kunden" der Jobcenter eine Rufnummer für alle angeboten, die die Erreichbarkeit eines bestimmten Sachbearbeiters oft genug zur Mammutaufgabe wachsen lässt.

Harald Thome, der sich seit über 20 Jahren mit sozialrechtlicher Beratung einen Namen gemacht hat, wollte diese Verschleierungstaktik, die gerade auch die Hilfesuchenden letztendlich vor unnötige Probleme stellt, nicht hinnehmen und schaffte es nicht nur, die internen Telefonlisten etlicher Jobcenter auf dem Wege der Informationsfreiheit zu erlangen, er stellte diese auch online damit die Hilfesuchenden (gemeinhin auch "Kunden" genannt) die Möglichkeit hatten, ihren Sachbearbeiter direkt zu erreichen. Eine Praxis, die den Jobcentern zunehmend missfiel.

"Seit einem Jahr veröffentliche ich bundesweite Jobcentertelefonlisten. Nach einem Jahr ist Zeit, Bilanz zu ziehen, und ich muss feststellen, es war weitgehend ein Jahr der Anfeindungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Gewaltandrohungen und wirtschaftlichen Existenzbedrohung. Einfach Stress. Als Projekt, wo jederzeit jemand haftbar zu machen ist, ist die Veröffentlichung der Jobcentertelefonlisten nicht durchhaltbar, jeder, der das macht, wird in der Existenz bedroht", schreibt Harald Thome ein Jahr, nachdem er mit der Veröffentlichung begonnen hat.

Zwar hatte das Leipziger Amtsgericht entschieden, dass die internen Telefonlisten herauszugeben sind, sollte es Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz geben, doch auch das Leipziger Jobcenter gab sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und geht weiter gegen diese Entscheidung an.

In seiner Ausstiegserklärung erläutert Herr Thome, wieso er sich nunmehr entschieden hat, die Veröffentlichung der Telefonlisten einzustellen.

"Gleichzeitig haben mich unter Androhung von rechtlichen Schritten in zehn Fällen Jobcenter selbst aufgefordert, die Telefonlisten aus dem Netz zu entfernen. Die hessischen Jobcenter haben sich hier besonders hervorgetan. In vier Fällen konnte das ohne große Auseinandersetzungen geklärt werden, in drei Fällen habe ich die Listen aus dem Netz genommen, in einem Fall – gegenüber dem Jobcenter Delmenhorst – habe ich mich gegen die Unterlassungsandrohung gewehrt und es wurde im Ergebnis eine modifizierte Liste ohne Vornamen ins Netz gestellt.

Aktuell laufen von zwei Jobcentern Aufforderungen, die Listen aus dem Netz zu nehmen. Im härteren Fall wurde vom Jobcenter Berlin Spandau mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 angedroht, dass zur Vermeidung von über 500 Einzelanträgen auf Unterlassung durch jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter des Jobcenters angeraten wird, die Liste aus dem Netz zu nehmen. Auf Deutsch: Eine Unterlassungsverfügung zieht im Fall des Unterliegens einen Prozess- und Anwaltskosten im Wert von rund 800 € nach sich – mal 500 Fälle macht das rund 400.000 €."

Hier zeigt sich, wie insbesondere auch die hohen finanziellen Belastungen, die in solchen Fällen auf diejenigen zukommen, die sich im Bereich der Informationsfreiheit stark machen, dazu führen, dass letztendlich jene gewinnen, die die besseren finanziellen Druckmittel aufweisen können. Im Falle von Behörden ist es letztendlich so, dass keine Privatpersonen betroffen sind, sollte die Behörde unterliegen; was es im Zweifelsfall einfach macht, einen Prozess durchzustehen, während der Privatmensch, mit solch hohen Kosten bedroht, letztendlich einknicken muss, sollte er nicht über hohe finanzielle Reserven verfügen.

Harald Thome sieht nun die Chance darin, dass die von ihm erlangten Telefonlisten von anderen veröffentlicht werden.

"Ich sehe das offene und öffentliche Projekt 'Veröffentlichung von Jobcentertelefonlisten zur Durchsetzung einer größeren behördlichen Transparenz und Abbau von Zugangshürden' als gescheitert an. Es scheiterte an der Reaktion einer Reihe von Jobcentern, die diesen Zugang mit allen Mitteln unterbinden wollen. Ein solches Projekt, muss ich jetzt in die Hände der kreativen Erwerbslosenbewegung legen und es scheint nur noch als nicht mehr offenes Projekt möglich zu sein. Sollten sich Menschen finden, dies weiter zu betreiben, stelle ich gerne meine Daten zur Verfügung und fungiere als Ansprechpartner zur Weitergabe von Jobcentertelefonlisten."

Nach Rücksprache mit einem Anwalt könnte auf Privatpersonen ein ähnliches Bedrohungsszenario zukommen wie auf Herrn Thome, weshalb die Hoffnung eher auf Organisationen oder alternativen Veröffentlichungsformen liegen dürfte.