Die Gängelung von ALG II-Empfängern entspricht dem politischen Willen

Außer Kontrolle

Die Piratenpartei veröffentlicht die Telefonlisten der Jobcenter und setzt ein politisches Signal für mehr Direkthilfe und weniger Bürokratie.

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Seit Mitte Januar 2014 hat Harald Thome die Veröffentlichung von Telefonlisten der Jobcenter eingestellt. Der Schritt, von ihm selbst als negativ bewertet, wurde notwendig da die ihm drohenden finanziellen Probleme durch eine weitere Veröffentlichung zu groß geworden waren.

"Aktuell laufen von zwei Jobcentern Aufforderungen, die Listen aus dem Netz zu nehmen. Im härteren Fall wurde vom Jobcenter Berlin Spandau mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 angedroht, dass zur Vermeidung von über 500 Einzelanträgen auf Unterlassung durch jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter des Jobcenters angeraten wird, die Liste aus dem Netz zu nehmen. Auf Deutsch: Eine Unterlassungsverfügung zieht im Fall des Unterliegens einen Prozess- und Anwaltskosten im Wert von rund 800 € nach sich – mal 500 Fälle macht das rund 400.000 €", schrieb Harald Thome und machte damit deutlich, wieso sein Projekt, dass ALG II-Empfängern direkt helfen sollte, von ihm nicht weitergeführt werden konnte und welche Hindernisse ihm in den Weg gelegt wurden.

Herr Thome hoffte darauf, dass sein Projekt nunmehr durch andere fortgeführt werden würde. "Ein solches Projekt, muss ich jetzt in die Hände der kreativen Erwerbslosenbewegung legen und es scheint nur noch als nicht mehr offenes Projekt möglich zu sein", schrieb er.

Die Piratenpartei Deutschland hat spontan beschlossen, die Telefonlisten zu veröffentlichen und von nun an das Projekt zu betreuen. In ihrer Pressemitteilung findet sie deutliche Worte, was das Gebaren der Jobcenter angeht.

"Jobcenter sind Behörden der sozialen Grundsicherung. Wieso können sich die Sachbearbeiter – die sich ja sogar Kundenberater nennen – dann hinter einer unpersönlichen Callcenter-Rufnummer verstecken? Wer diese Nummer nutzt, muss auf einen Rückruf oft lange warten. Unkompliziert und hilfreich? Fehlanzeige! Diese Verschleierungspolitik ist für die Betroffenen entwürdigend, und die Aggressivität, mit der Jobcenter sie verteidigen, entbehrt nicht nur der rechtlichen Grundlage – sie ist auch zutiefst unmoralisch."

Thorsten Wirth, der Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, ergänzte auf Nachfrage:

"Wir wollen, dass die Jobcenter ihren Kunden helfen und sie unkompliziert beraten, wie es in anderen Behörden auch möglich und üblich ist! Bei allem Mitgefühl für die Mitarbeiter der Jobcenter ist es keine unzumutbare Forderung, dass die Mitarbeiter für ihre Kunden auch telefonisch erreichbar sind.

Die Argumentation, Mitarbeiter könnten ob der vielen Telefonate keine persönlichen Beratungen mehr durchführen, widerspricht jeder Erfahrung und ist im Zeitalter von modernen Telefonanlagen mit Umleitungsfunktionen ein Zeichen von mangelndem politischen Willen.

Und das ist der Kern unserer Aktion: Dass die Bundesagentur für Arbeit Menschen, die Arbeitslosengeld II erhalten, gängelt und ihnen ihre Rechte vorenthält – dass ein politischer Wille existiert der es fördert, dass Menschen die, warum auch immer, unser Sozialsystem in Anspruch nehmen, sich als Menschen zweiter Klasse fühlen sollen. Dagegen wenden wir uns. Und darauf wollen wir ein Schlaglicht werfen!"

Die Piratenpartei hatte am Dienstag Telefonlisten von 134 Jobcentern auf ihren Server veröffentlicht und damit ein Projekt des renommierten Sozialberaters Harald Thomé fortgesetzt. Dieser musste nach einem Jahr sein Transparenzprojekt aufgeben, weil die juristische Drohkulisse, die einige wenige Jobcenter aufgebaut hatten, für ihn als Einzelperson untragbar wurde.

Es darf spekuliert werden, wie lange es dauern wird bis der PPD ähnliche Schreiben der Jobcenter zugehen werden wie Herrn Thome.