VDS: Wir wollen uns (nicht) hinter Europa verstecken

Außer Kontrolle

Die Vorratsdatenspeicherung wird für die neue Große Koalition zum Problem, denn während beide Parteien sich zwar dafür einsetzen, sind die Detailfragen nicht geklärt – und die SPD darf hier nicht zu stark einknicken

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Es war nie ein Geheimnis, dass die CDU/CSU hinter der Vorratsdatenspeicherung (VDS) steht, es war die SPD, die ihre eher unrühmliche Rolle bei der Entstehung der VDS in Deutschland herunterspielte und sich letztendlich hinter "Bauchschmerzen" und ähnlichem versteckte, um aus einem "Ja" ein "Ja, aber" bzw. ein "Nein" werden zu lassen, was nur bedingt funktionierte. Im Koalitionsvertrag hat die SPD nun eine deutliche Aussage, was die VDS angeht, getroffen und letztendlich auch aus strategischen Gründen und der Angst vor Neuwahlen keine Konfrontation riskiert.

Nun, da der Mitgliederentschied die Große Koalition abgesegnet hat, wird die VDS zum Problemfall, denn die SPD hat noch einiges geradezurücken. Der Mitgliederentschied hat zwar mit über 70% der abgegebenen und gültigen Stimmen die Große Koalition befürwortet, doch 31.000 wegen Formfehlern ungültige Stimmen und eine Beteiligung von ca. 75% der Mitglieder zeigen auf, welche Probleme die SPD noch mit sich herumträgt.

Um im Bereich Bürgerrechte nicht von CDU/CSU rechts überholt zu werden, muss die SPD sich hier profilieren, nicht zuletzt weil mahnende Stimmen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar als nicht zuletzt auch medial gehörtes Korrektiv wegfallen und die neuen Kandidaten für diese wichtigen Posten doch eher Anlass zur Sorge geben. So ist die potentielle Nachfolgerin für Peter Schaar nicht nur als Befürworterin der Netzsperren und der Onlinedurchsuchung, sondern auch der VDS bekannt.

Die Meinung des EU-Generalsanwaltes des Europäischen Gerichtshofes, dass die VDS-Richtlinie der EU in der jetzigen Form gegen die Grundrechtscharta verstößt, kommt der SPD daher gelegen, um hier zumindest medial Flagge zu zeigen und zu fordern, dass zunächst die Richtlinie überarbeitet werden müsse. Wenn die CDU/CSU nun sagt, man wolle sich nicht hinter Europa verstecken und stattdessen endlich ein wichtiges Instrument zur Verbrechensbekämpfung umsetzen, dann zeigt sie nicht nur in ihrer Position Durchhaltevermögen, sondern sie nutzt auch die Gunst der Stunde, um noch einmal, wenn auch subtil, mit dem Finger auf die SPD zu zeigen, die gerade auch EU-politisch agierte, um die VDS, nachdem sie zweimal in Deutschland abgelehnt worden, über den Umweg der EU-Richtlinie durchzusetzen. Das führte zu Aussprüchen wie "Wir müssen eine Richtlinie umsetzen" führte) und mana schreckte auch in der jüngsten Zeit nicht vor Lügen zurück, um für die VDS zu werben. Sigmar Gabriel hat mit dieser Taktik bereits vor der Großen Koalition Stimmen verspielt - oder er wollte im Gewässer der CDU/CSU fischen.

Die VDS wird den beiden Parteien noch Kopfzerbrechen bereiten, denn die SPD läuft Gefahr, beim Versuch, an der Macht zu bleiben, korrigierende Positionen einfach zu streichen und damit den Bereich Datenschutz und Bürgerrechte aufzugeben. Nachdem schon ihr sozialer Aspekt kaum mehr geglaubt wird, würde es dann kaum noch Positionen geben, die die SPD dauerhaft attraktiv machen. Es bleibt der SPD also nichts anderes übrig, als die Verzögerungstaktik zu nutzen, um auf das Urteil des EU-Gerichtshofes zu warten, was die VDS angeht.

Die CDU/CSU ist, wenig überraschend, nicht bereit, auf das Urteil zu warten und betrachtet auch die Fehlerhaftigkeit der VDS-Richtlinie, wie sie der Generalanwalt sieht (dem sich der Gerichtshof oft anschließt), nicht als einen Grund, die jetzige Richtlinie nicht umzusetzen. Die SPD muss dies anders sehen, sonst schafft sie sich bereits zu Anfang der Großen Koalition ein bürgerrechtliches Waterloo.