Innenministerium hält an Bundesmelderegister fest

Das Bundesinnenministerium sieht auch nach den jüngsten Skandalen rund um die massenhafte Weitergabe von Kundendaten keine Notwendigkeit, seinen umstrittenen Entwurf für ein zentrales Melderegister zu korrigieren.

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Das Bundesinnenministerium sieht auch nach den jüngsten Skandalen rund um die massenhafte Weitergabe von Kundendaten keine Notwendigkeit, seinen heftig umstrittenen Vorstoß für ein Bundesmelderegister zu korrigieren oder gar zurückzuziehen. "Wir führen die Beratungen weiter auf Basis unseres Gesetzesentwurfs", betonte Andreas Reisen, Leiter des Referats Meldewesen im Hause Schäuble, am Donnerstag auf der 4. Konferenz zu Diensten im europäischen Meldewesen in Berlin. Der Ministeriumsvertreter räumte aber ein, dass es innerhalb der Bundesregierung und der großen Koalition "noch keine politische Einigkeit" gebe, ob ein zentrales Melderegister realisiert werden solle.

In den florierenden, in einem rechtlichen Graubereich stattfindenden Handel mit Adressdaten waren auch Meldeämter involviert. Nachdem der Datenmissbrauch in seinen Umrissen ansatzweise zutage trat, erklärten neben der Opposition auch die SPD-Bundestagsfraktion sowie die ihr angehörende Bundesjustizministerin Brigitte Zypries Schäubles Pläne für ein Bundesmelderegister für mehr oder weniger erledigt. Das Innenministerium habe keine zwingenden Gründe für ein Zentralregister dargelegt, hieß es Ende August bei den Sozialdemokraten. Statt neben den sechs laufenden Landesmelderegistern und den kommunalen Verzeichnissen der rund 5400 Meldebehörden hierzulande parallel weitere Datenberge anzuhäufen, sollten besser die vorhandenen Strukturen gestärkt werden.

Reisen gab zwar zu, dass es "sehr schwierig" wäre, das vorhandene System der dezentralen Meldeauskunft "in eine andere Richtung zu bringen". Schon auf technischer Ebene wäre eine zentrale Lösung nicht einfach zu realisieren. Die kommunalen Register, bei denen Verfahren zur Erreichung höherer Datenqualitäten auf jeden Fall erforderlich seien, würden ferner weiter nötig bleiben. Gerade für Behörden mit Sicherheitsaufgaben brächte ein Bundesverzeichnis aber Vorteile. Reisen erinnerte an die Schwierigkeiten, die Identität der bei einem Absturz einer Spanair-Maschine in Madrid vor Kurzem ums Leben gekommenen deutschen Passagiere festzustellen. Ein Rückgriff auf die lokalen Meldedaten sei von Spanien aus zunächst nicht möglich gewesen. Mit einem zentralen Register hätten die dort vorgehaltenen Daten "mit einem Fingerschnipp" mit den Namen in den Fluglisten abgeglichen werden können. Auch bei Hausbränden brächte ein Bundesmeldeverzeichnis Vorteile, da die Feuerwehr damit schneller feststellen könnte, wie viele Menschen in einem Gebäude wohnen.

Obwohl sich die im Gesetzesentwurf angepriesenen Kostenreduzierungen durch ein Zentralregister als Milchmädchenrechnung herausgestellt haben, sprach Reisen weiter von zu erwartenden Einsparungen "im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich" für die Kommunen. Zugleich unterstrich er die Notwendigkeit der Beachtung von Transparenz als wichtiges Kriterium beim möglichen Aufbau eines Bundesmelderegisters. Die Bürger sollten nicht nur die über sie gespeicherten Daten einsehen, sondern auch Zugriffe darauf über ein Auskunftsportal im Internet abrufen können. Suchanfragen in der Datenbank sollten zudem durch ein striktes Identitätsmanagement und sektorbezogene Freigaben eingeschränkt werden. Bedenken von Datenschützern, dass die zentral vorgehaltenen Informationen aus dem Register etwa mit den Datenbanken hinter der neuen einheitlichen Steuernummer verknüpft werden könnten, wies Reisen mit dem Verweis auf die "Zweckgebundenheit" beider Systeme zurück. Ein Abgleich von bereits im Verfahren zur Vergabe der Steuer-ID ausgesonderten Dubletten aus den lokalen Meldeverzeichnissen sei "über ein anonymisiertes Verfahren" aber denkbar.

Thomas Mader aus dem österreichischen Innenministerium hatte zuvor beteuert, dass ein zentrales Melderegister unter Wahrung von Datenschutzaspekten betrieben und auch der Wirtschaft unter gewissen Bedingungen Zugang gewährt werden könne. Das entsprechende Verzeichnis in der Alpenrepublik sei nach einer Ministerentscheidung im Jahr 2000 innerhalb von nur acht Monaten errichtet worden. Es stelle nach dem Ausmerzen gröberer Fehler inzwischen das Rückgrat für das österreichische E-Government-Konzept nebst Bürgerkarte, 2005 angefügtem Dokumentenregister und 2006 hinzugekommenen "Ergänzungsregister" etwa für im Land arbeitende Pendler dar.

Abfragen erfolgen laut dem Regierungsabgesandten auf Basis einer gesicherten Kommunikationsinfrastruktur. Zudem habe jede angeschlossene Behörde ein Identifizierungsmerkmal erhalten, um Zugriffe zu verfolgen. Dieses "Identifier"-Modell werde von der Verwaltung intensiv genutzt, so dass eine Art Rasterfahndung im Register verhindert werde. Auskünfte an Firmen würden nur erteilt, wenn ein eindeutiger Treffer erzielt worden sei. So könnten auch Fischzüge von Adresshändlern ausgeschlossen werden. Dass es immer ein Restrisiko gebe, "dass mit den Daten des Bürgers Missbrauch getrieben wird", wollte aber auch Mader nicht ausschließen. (Stefan Krempl) / (pmz)