"Shift happens": Von Technik und liberaler Politik, von guten und schlechten Bloggern

In Berlin begannen auf der re:publica 09 die Debatten der Webaktivisten über die Umbrüche in Medien und Gesellschaft und über den Zustand der deutschen Blogosphäre.

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Von
  • Herbert Braun

"Shift happens" – das Internet verändert die Gesellschaft, und zwar in rasendem Tempo. Deutschlands führende Bloggerkonferenz, die dreitägige re:publica, borgte sich für ihre dritte Auflage das Motto von dem YouTube-Film "Did you know?" von Karl Fisch und die Ideen von dem Soziologen Jeremy Rifkin. Für diesen Wandel fand Mitorganisator Johnny Häusler von Spreeblick in seiner Keynote anschauliche Bilder: Hatte ihm 1999 noch eine alteingesessene Bank einen Kredit mit der Begründung verweigert, dass es in zehn Jahren vielleicht kein Internet mehr gebe, so stellt sich heute eher die Frage, ob es die Bank noch lange geben wird.

Während wie bei fast jeder Webkonferenz das Publikum im gut gefüllten Berliner Friedrichstadtpalast mit technischen Problemen der Veranstalter konfrontiert wurde und bangend auf den Hinweis "WLAN kommt bald" schaute, unterzog der Blogforscher John Kelly die Blogosphären verschiedener Kulturkreise wie USA, Iran oder Deutschland einer statistischen Untersuchung und machte die "Architekturen der Kommunikation" durch dreidimensionale Grafiken anschaulich. In Sachen Verlinkung und thematische Nähe ähnele die deutsche Blogosphäre der US-amerikanischen von vor einigen Jahren, erklärte Kelly: Technikthemen und liberale Politik dominierten die Szene, die weniger technikaffinen Kreise sind noch kaum präsent.

Diese Einschätzung vertiefte das Stelldichein der A-Blogger während der Podiumsdiskussion. Stefan Niggemeier, Robert Basic (ex Basic Thinking), Mitorganisator Markus Beckedahl (Netzpolitik), Sascha Pallenberg (Netbooknews.de) und Moderator Thomas Knüwer (Indiskretion Ehrensache) debattierten über rechtliche, finanzielle und politische Fragen des Bloggens. Vor allem in letzterer Hinsicht sah das Quintett große Probleme aufgrund der widersprüchlichen Gesetzgebung und der abmahnfreudigen Rechtskultur, die vor allem Niggemeier und Beckedahl schon kennen lernen durften.

Das gespannte Verhältnis zwischen klassischen Medien und Bloggern sah vor allem Robert Basic als Grund für die im internationalen Vergleich ausgesprochen schwache deutsche Blogosphäre. Niggemeier wies darauf hin, dass zum Beispiel bei der Berichterstattung über Winnenden oder über Wikileaks klassische Medien und Blogger in verschiedenen Welten zu agieren scheinen, zeigte sich aber zugleich "erschüttert" über die geringe Menge an originalen Inhalten in deutschen Blogs. Doch auch über Arroganz und Neid unter den Bloggern wurde geklagt. Pallenberg, der in den USA mit dem Bloggen begonnen hatte, riet dazu, weniger nachzudenken und mehr auszuprobieren – und alle schienen darüber einig zu sein, dass es keine "guten" und keine "schlechten" Blogger gibt. (heb)