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Außer Kontrolle

Das Museum Folkwang hat eine Ausstellung des bekannten Malers Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus, abgesagt. Der Artikel bei Spiegel Online ist symptomatisch für die Furcht vor unbequemen Diskussionen.

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Balthasar Klossowski de Rola, genannt Balthus, ist als Maler umstritten. Die Wikipedia schreibt:

"Balthus' Lieblingssujet waren unterschwellig sexuell getönte Portraits von Mädchen im Alter von etwa 13 Jahren, die sich ihrer Wirkung noch nicht bewusst sind und damit den erwachsenen Betrachter kompromittieren. Diese Ambivalenz war und ist Anlass heftiger Kontroversen. Für Balthus hingegen drücke diese Vorstufe der Frau nichts Erotisches aus, sondern zeige noch göttliche Aspekte des Menschen und offenbare engelhafte Züge, die er als Maler sehe und ihnen Gestalt verleihen wolle."

Während Balthus' Malereien überwiegend unumstritten als Kunst angesehen werden, entzündete sich an den Fotos, die der Pole von einem 8-jährigen Mädchen machte, eine heftige Debatte, seien diese doch, wie es hieß "Dokumente einer pädophilen Gier". Die geplante Ausstellung, die diese Fotografien zeigen sollte, wurde nun abgesagt.

Das Thema wäre Anlass für hitzige Diskussionen rund um die Thematik der Kinderpornographie bzw. der Darstellung sexuellen Missbrauchs (was oft gleichgesetzt wird), um die Frage, was Kunst darf und was nicht, inwiefern zwischen den Bildern und den Fotografien überhaupt unterschieden werden sollte etc. Allein – der Artikel eröffnet, anders als viele andere Artikel bei Spiegel Online, keine Möglichkeit, eine solche Diskussion zu führen. Zwar sind die verschiedenen Buttons für das Teilen des Artikels in sozialen Netzwerken vorhanden, auch kann der Artikel empfohlen worden - doch kommentiert werden soll er nicht.

Damit steht er keinesweg allein da – immer öfter finden sich (nicht nur bei Spiegel Online) Artikel, bei denen die Kommentarfunktion nicht mehr aktiviert ist, bei denen also eine Diskussion auf den Seiten des Anbieters nicht erwünscht ist. Dies geschieht zum einen aus Zeitgründen – kontroverse Diskussionen führen zu einem erhöhten Moderatorenbedarf, welcher oft nicht befriedigt werden kann. Doch auch die Furcht vor rechtlichen Konsequenzen, sollte doch ein zu beanstandender Kommentar durchrutschen, führt oft zu einer kompletten Verhinderung des Kommentierens.

So verständlich dies auch ist, zeigt es doch, dass die großen Verlagshäuser langsam wieder zurück zur reinen Sendefunktion gehen und die Empfängerfunktion (die ihnen nicht zuletzt auch die Möglichkeit bieten würde, von den Gedankengängen und Hintergrundinformationen der Leser zu profitieren) außer Acht lassen. Andere Zeitungen lassen nur vormoderierte Beiträge zu und erwecken so oft den Anschein, es gäbe zu bestimmten Artikeln nur positive Meinungen, da die negativen der Vormoderation zum Opfer fallen, die (ganz im Sinne des Hausrechtes) lediglich auf die Nutzerregeln verweist und eine Diskussion darüber, warum welcher Kommentar denn nicht zugelassen wurde, nicht führt.

Auch wird oft genug ein Forum im Nachhinein geschlossen und die Beiträge entschwinden ins Nirgendwo. Für diejenigen, die sich damit Mühe gaben, ist das ein frustrierendes Erlebnis, was aber auch zeigt, dass letztendlich die Verfügungsgewalt über ihre Kommentare ab dem Abschicken nicht mehr bei ihnen liegt und sie der Willkür der Moderatoren und Redaktionen ausgesetzt sind.

Es wäre zu begrüßen, wenn Zeitungen wieder mehr Mut fänden und auch unbequeme Kommentare zuließen, sich der Kritik stellten und Meinungsbilder realistisch abbilden würden.