Snowden nutzte Webcrawler

Die NSA wurde mit ihren eigenen Waffen geschlagen

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Ausgerechnet Repräsentanten der NSA, die so bedacht auf das Wahren ihrer Interna ist, veröffentlichten ihre Einschätzung, wie Whistleblower Edward Snowden an die beeindruckende Masse der nicht durchweg für ihn bestimmten Dokumente gelangt sein dürfte. Wie die New York Times meldet, scheint Snowden nicht etwa das gesamte Material nach vorheriger Sichtung kopiert zu haben, vielmehr richtete er die Waffen der NSA gegen diese selbst: Snowden automatisierte seine Suche und ließ ursprünglich zur Auswertung des Internets entwickelte Webcrawler über die NSA-Computer laufen. Diese förderten eine Beute von wohl 1,7 Millionen Dokumenten, wobei die NSA bislang noch immer nicht weiß, was genau er hat. Einmal scheint er aufgefallen zu sein, konnte sich jedoch als Systemadministrator herausreden, der ein Back Up habe machen wollen.

Dieser Befund insgesamt ist vor allem deshalb peinlich, weil zu den Aufgaben der NSA ja auch der Schutz von sensiblen Datensystemen gehört. So war es dem Mitarbeiter eines externen Dienstleisters offenbar möglich, von Hawaii aus die NSA-Dokumente per Softwareagent abzugreifen. Ähnlich dürfte auch Manning hantiert haben, der damals die Massen an Cables unmöglich über seinen Zugang zu einzelnen Datensätzen kopiert haben kann. Nach Meinung von Experten hätten die Angriffe eigentlich leicht entdeckt werden müssen. Was Snowden gelungen war, hätten andere Insider, etwa im Auftrag und in Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten, erst recht gekonnt. Sofern einen solchen Coup noch kein anderer Dienst durchgeführt haben sollte, hätte die NSA gegenüber ihrem Pentester Snowden allen Grund zur Dankbarkeit für dieses pädagogisch wertvolle Erlebnis.

Snowdens Leaks zeitigen für die NSA-Bediensteten offenbar einen ähnlichen identitätsstiftenden Effekt wie seinerzeit die Enthüllungsbücher des Geheimdienstspezialisten James Bamford, der mit "Puzzle Palace" (1986) und "Body of Secrets" (2002) die faszinierende Geschichte des personell größten Geheimdienstes der Welt erzählte. So arbeiten die NSA-Leute voneinander in streng abgeschotteten Abteilungen und wissen über ihr eigenes Unternehmen offiziell nur, was sie wissen müssen. Wie Snowdens Vorgehen bewiesen hat, war für seine Webcrawler auch diese Strategie kein unüberwindliches Hindernis.