Rätselraten um Sebastian Edathy

Außer Kontrolle

Der SPD-Politiker weist Vorwürfe, er sei im Besitz von kinderpornographischen Schriften (gewesen), von sich. Und die Staatsanwaltschaft zeigt sich endlich einmal wortkarg.

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"Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr. Die Tatsache, dass bei einer nur auf Mutmaßungen beruhenden gestrigen Hausdurchsuchung in meiner Privatwohnung die Lokalpresse zugegen war, nehme ich zum Anlass, Strafanzeige zu erstatten."

Sebastian Edathy, bis vor kurzem noch Bundestagsabgeordneter, wehrt sich auf seiner Facebookseite gegen die momentan kursierenden Behauptungen, es gehe bei den am Montag in seinen Wohnungen durchgeführten Hausdurchsuchungen um Kinderpornographie. Der Bundestagsabgeordnete war am Wochenende aus, wie er sagte, "gesundheitlichen Gründen" zurückgetreten. "Ich gehe davon aus, dass die Unschuldsvermutung auch für mich gilt. Ein strafbares Verhalten liegt nicht vor", so der Hannoveraner.

Was eine Flucht nach vorne ist, dürfte in einem Fall, bei dem es vermeintlich um den Besitz von Kinderpornographie geht, nur noch mehr Fragen aufwerfen und die Spekulationen anheizen. Die Staatsanwaltschaft, die für den Fall zuständig ist, gibt sich lobenswerterweise einmal wortkarg und teilt mit, dass zu laufenden Ermittlungen keine Angaben gemacht werden. Dies ist leider eine Seltenheit geworden – aus dem Nähkästchen plaudernde Staatsanwälte, die sich mediengerecht präsentieren, waren in den letzten Jahren eher die Regel als die Ausnahme.

Sebastian Edathys wohlformulierte Worte lassen natürlich Platz für Spielraum, aber sie zeigen auch, wie schnell durch einen bloßen, von der Presse mitlancierten Verdacht Vorverurteilungen stattfinden, noch ehe überhaupt klar ist, was passiert ist und warum. Zwar bestätigte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchungen, diese waren allerdings sowieso schon durch die Lokalzeitung "Die Harke" dokumentiert worden.

Dass Computer und Akten durchsucht bzw. konfisziert wurden, ist ebenso bekannt. Doch die Gründe für die Durchsuchungen bleiben weiter im Dunkeln, was die Presse nicht daran hindert, bereits jetzt von dem "Verdacht wegen Kinderpornographie" zu sprechen bzw. zu berichten. Die Ableitungen bzw. Mutmaßungen der Lokalzeitung entbehren nicht einer gewissen Logik:

"Die federführende Staatsanwaltschaft Hannover mauert. Oberstaatsanwalt Thomas Klinge erklärte in Rehburg, er sei nicht befugt, etwas über die Ermittlungsgründe zu sagen. Klinge leitet die Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornographischer oder sonst jugendgefährdender Schriften."

Zu bemerken ist allerdings auch, dass "Die Harke" es offenbar für unproblematisch hält, unverpixelte Bilder von Sebastian Edathys persönlichem Lebensbereich ins Netz zu stellen, was trotz diverser Kommentare bisher unverändert blieb. Eines der Photos zeigt einen "Blick durchs Fenster in die Privatwohnung", was letztendlich einiges darüber aussagt, wie das Photo entstanden ist und wie hier letztendlich die Privatsphäre nichts mehr zählt.

Sebastian Edathy dürfte jetzt eine mediale Hetzjagd bevorstehen. Die einen werden, frei nach dem Motto "wer sich verteidigt, hat etwas getan" vorgehen und vermuten, dass ein Dementi ja gar nicht notwendig gewesen wäre; die anderen werden hinter dem Schweigen von Sebastian Edathy und der Staatsanwaltschaft gleich das Schlimmste vermuten und der Vorwurf des Besitzes von Kinderpornographie wird, egal ob falsch oder richtig, ihn in Zukunft begleiten. Ein Stigma, das jedem anhaftet, der öffentlich dieser Vergehen bezichtigt wird.

"Ich hoffe, auch für mich gilt die Unschuldsvermutung." Die Worte Sebastian Edathys kommen an, allein fehlt der Glaube daran, dass sie eine Wirkung erzielen. Obgleich die Unschuldsvermutung ja nicht den Privatmenschen bindet, so wäre es doch wünschenswert, dass sie zumindest für ein Nachdenken sorgt.